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Henkersmahl

Henkersmahl

Titel: Henkersmahl
Autoren: Bärbel Böcker
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pünktlich zur Arbeit zu kommen.
    Das Klingeln seines Handys riss ihn aus seinen Gedanken.
    Er sah auf das Display, aber es zeigte ihm keine Nummer an, sodass er nicht wusste, wer zu so früher Stunde schon etwas von ihm wollte. Florian drückte auf den grünen Knopf und meldete sich, unwirsch leicht die Stimme hebend.
    Jemand, den er kaum verstand, fragte nach: »Florian Halstaff?«
    »Ja. Florian Halstaff.« Seiner Stimme war anzumerken, dass er genervt war.
    »Ich möchte ihnen einen guten Rat geben.«
    Florian war nahe dran, das Gespräch direkt zu beenden, denn auf Spinner jeglicher Art konnte er am frühen Morgen gut verzichten. Verärgert fragte er nach: »Mit wem spreche ich?«
    »Das spielt keine Rolle. Ich sage Ihnen nur eins, suchen Sie sich für die nächste Sendung ein anderes Thema.«
    »Wie bitte? Was wollen Sie?« Florian richtete sich abrupt auf. Er fluchte innerlich und presste das Handy dicht an sein Ohr, aber der Lärm um ihn herum ließ nicht nach, und er konnte den Mann nur schlecht verstehen.
    »Keine Talkshow über die Erkrankungen, habe ich gesagt. Verstanden?«
    »Und warum nicht, wenn ich fragen darf?«
    »Weil Sie sich sonst anstecken könnten, und das läuft nicht immer so glimpflich ab wie bei den anderen.«
    Florian war verblüfft, doch bevor er etwas erwidern konnte, machte es klack. Der Anrufer hatte aufgelegt. Er runzelte die Stirn. Die Stimme hatte ziemlich jung geklungen. Er überlegte, ob er sie irgendwann schon einmal gehört hatte, aber seine grauen Zellen gaben ihm keinerlei Rückmeldung. Florian atmete tief durch und ignorierte das alarmierende Gefühl in seinem Bauch, das sich langsam zum Magen hin ausbreitete, und beruhigte sich mit dem Gedanken, dass der Anrufer wahrscheinlich irgendein Verrückter oder ein besonders witziger Kollege aus dem Showumfeld gewesen war. Florian seufzte. Es gab einfach zu viele Idioten auf der Welt. Er wischte den Gedanken an den Anrufer beiseite und sah wieder aus dem Fenster.
    Eigentlich war es heute viel zu früh für ihn. Die Flasche Rotwein, die er gestern Abend genüsslich geleert hatte, trug vermutlich auch dazu bei, dass er nur schwer wach wurde. Florian lehnte sich zurück und schloss die Augen. Normalerweise fuhr er eine Stunde später ins Büro, die Redaktion begann in der Regel nicht vor halb zehn mit der Arbeit. Er hoffte, in Anbetracht der frühen Stunde und des seltsamen Anrufs wenigstens dem Kontrolleur zu entgehen. Der Zug würde jeden Moment in den Bahnhof Christophstraße einfahren, doch er hatte Pech. Der Kontrolleur baute sich vor ihm auf und streckte fordernd die Hand aus. Zunächst zögerte Florian einen Augenblick, insbesondere, weil der Mann ihn nun anherrschte: »Mal ’n bisschen hoppla, ja?«
    Er spürte, wie Ärger in ihm aufstieg, und war schlagartig hellwach. Zur vollen Länge aufgerichtet fixierte er den Mann und behielt die Karte fest in der Hand.
    »Irgendwelche Probleme?«, fragte der Kontrolleur bissig.
    »Ja.« Florian ließ sich kurz Zeit, bevor er weiter sprach. »Mit Menschen, die sich wie Sie auf verdammt widerliche Art aufspielen.«
    Eine tiefe Röte breitete sich im grobschlächtigen Gesicht des Kontrolleurs aus, und an seiner linken Schläfe schwoll eine Ader gefährlich an. »Ich mache hier meinen Job, sonst nichts.« Der harsche Tonfall stand allerdings im Gegensatz zur nervösen Handbewegung, mit der er sich über die Glatze fuhr.
    Die Bremsen der Bahn quietschten, und Florian musste aufpassen, dass er nicht das Gleichgewicht verlor. Er hielt sich an der nächst besten Stange fest. In diesem Moment kam der Zug zum Stehen. Florian riss dem Kontrolleur das Ticket aus der Hand und fasste den Mann, den er um anderthalb Köpfe überragte, fest am Kragen. Er zog ihn zu sich heran. »Demnächst erledigen Sie Ihren Job aber bitte mit etwas mehr Respekt!« Ohne sich noch einmal umzublicken, machte er einen großen Sprung durch die Tür und landete sicher auf dem Bahnsteig.

     

3
    In der Redaktion, die ihre Räume in einem Altbau am Hansaring in unmittelbarer Nähe des Mediaparks hatte, ging es trotz der frühen Stunde – es war erst kurz nach halb neun – bereits hektisch zu.
    Obwohl der Mediapark, errichtet auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Gereon, als themenbezogener Stadtteil in der Medienbranche eine gute Adresse war, hatte Florians Chefin der Verlockung, in eines der modernen Hochhäuser umzusiedeln, widerstanden und war ihrem alten Büro am Hansaring mit dem Fischgrätparkett, den
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