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Heldenplatz (German Edition)

Heldenplatz (German Edition)

Titel: Heldenplatz (German Edition)
Autoren: Thomas Bernhard
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beobachte alles
    sozusagen aus dem Tod heraus verstehen Sie
    HERR LANDAUER  
    Sie gehen aber doch immer wieder in den Musikverein
    PROFESSOR ROBERT  
    Gewohnheitsmäßig
    es fällt mir sonst nichts mehr ein
    Ich lese und ich gehe in Neuhaus ein paar Schritte
    ich bin ja kein Naturliebhaber ich hasse die Natur ja
    das ist die Wahrheit
    mir gibt die Natur nichts
    und ich fahre ein- oder zweimal in der Woche in die Stadt herein
    und gehe in den Musikverein
    meine musikalischen Ansprüche sind aber nicht mehr sehr groß
    ich warte nurmehr noch darauf endgültig und ganz tot zu sein
    ich habe nicht den Kopf zum Selbstmord
    ANNA zu ihm
    Die Mutter will mit dir über die Zittel sprechen
    PROFESSOR ROBERT  
    Über die Zittel
    was will sie über die Zittel mit mir sprechen
    ANNA  
    Die Altersheimkosten für die Mutter der Zittel
    hat der Vater gezahlt
    PROFESSOR ROBERT  
    Ja und
    ANNA  
    Ob du das übernimmst will sie wissen
    PROFESSOR ROBERT  
    Die Frau Zittel ist ja nicht meine Haushälterin
    oder Wirtschafterin oder wie immer
    sie geht zu eurer Mutter nach Neuhaus dort bleibt sie wahrscheinlich
    das ist nicht meine Angelegenheit
    ich habe ja die Kronberger
    die Kronberger und ich
    wir sind in Neuhaus
    schon jahrzehntelang eingespielt
    Deine Mutter erstickt ja förmlich in Geld
    das soll sie bezahlen
    zu allen
    Meine Schwägerin ist schließlich immer die Kapitalistin in der Familie gewesen
    Und außerdem was ist das für ein Thema hier
    Herr Landauer was sagen Sie werden die Roten die nächste Wahl gewinnen
    die haben doch keinen Charakter
    und die Schwarzen sind lauter Dummköpfe
    und die Schweinigelei ist in allen Parteien die Triebkraft
    Wenn Sie heute in Österreich einen Politiker wählen
    wählen Sie doch nur ein korruptes Schwein
    so ist es doch
    FRAU ZITTEL kommt mit einem Stoß Teller herein und verteilt sie auf dem Tisch
    PROFESSOR ROBERT  
    Meine Schwägerin müßte ja längst da sein
    sie ist ja noch bevor ich ins Taxi gestiegen bin
    mit Lukas weggefahren
    Diese Niederreiter bringt alles durcheinander
    Was ist denn das eigentlich für eine Person Frau Zittel
    ANNA  
    Das war doch eine Geschmacklosigkeit
    daß die auf dem Begräbnis erschienen ist
    PROFESSOR ROBERT  
    Eine an und für sich gut aussehende Person
    zu Anna
    hat sie der Josef gekannt
    ANNA  
    Zweimal hat er sie mitgebracht
    der Vater war nicht begeistert
    PROFESSOR ROBERT  
    Lukas war immer auf Schauspielerinnen spezialisiert
    ANNA  
    Auf die zweit- und drittklassigen
    PROFESSOR ROBERT  
    Das ist ganz unmöglich
    zuerst diese Person nachhause zu bringen
    und dann die Mutter
    ANNA  
    Eine Zumutung
    PROFESSOR ROBERT  
    Aber natürlich warten wir Frau Zittel
    HERTA ist eingetreten und an der Tür stehengeblieben
    PROFESSOR ROBERT  
    Zwei Jahre dann geht sie ihm auf die Nerven
    es ist immer das gleiche
    Was als große Liebe anfängt
    ist schon ein paar Wochen später lästig
    im Grunde ist das ganz normal
    Manchmal denke ich Lukas wird nie eine Frau finden
    In seinem Alter kann das gar nicht mehr glücken
    da ist alles in einem Menschen schon zu wählerisch
    jeder Blick durchschneidet alles
    da kommt nichts mehr heraus außer Langeweile und Überdruß
    FRAU ZITTEL  
    Der Herr Professor hat sich vorige Woche
    einen Tag vor dem Unglück
    noch Schuhe anmessen lassen beim Scheer
    das wollte ich noch sagen
    sie teilt Servietten aus
    ANNA  
    Lukas hat ja dieselbe Schuhgröße
    PROFESSOR ROBERT  
    Josef war der klassische Schuhfetischist
    ich habe drei Paar verbraucht in zwanzig Jahren
    er hat über hundert Paar Schuhe gehabt
    in Wien allein an die sechzig Paar
    in Neuhaus stehen überall Schuhe von ihm herum
    auch in Salmannsdorf
    FRAU ZITTEL  
    Die Post hab ich in den kleinen weißen Sack gesteckt
    ANNA  
    Ich hab überhaupt niemandem geschrieben
    daß der Vater tot ist
    die glauben alle er ist schon in Oxford
    FRAU ZITTEL flüstert Herta etwas ins Ohr, beide gehen hinaus
    PROFESSOR LIEBIG  
    Auf mich haben Friedhöfe immer eine deprimierende Wirkung
    Meine Frau lebt geradezu auf auf dem Friedhof
    FRAU LIEBIG  
    Ich bin immer auf die Friedhöfe gegangen
    schon mit meiner Großmutter
    PROFESSOR LIEBIG  
    Auf den Friedhöfen kann man am besten
    die verschiedenen Familiengeschichten studieren
    gewisser Familien
    PROFESSOR ROBERT  
    Friedhofbesuche sind die nützlichsten
    sie dienen wie nichts der Belehrung
    und der Beruhigung
    nirgendwo sonst kann sich ein heute doch überall gestörter Kopf
    konzentrieren
    Von meiner Schwägerin bin
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