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Helden

Helden

Titel: Helden
Autoren: Jutta Richter
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ein ganzes Dorf.«
    Ich schleiche mich in mein Zimmer. Auf dem Wohnzimmertisch stehen zwei Kaffeetassen und eine Schale mit Plätzchen.
    »Wir sprechen uns später« ist die allerschlimmste Drohung. Ich sitze auf meinem Bett und warte. Ich höre das Geschirr in der Küche klappern. Mama spült die Kaffeetassen.
    Die Kühlschranktür fällt zu, dann ist es still. Nur an meiner Fensterscheibe summt eine Fliege. Ich habe Angst. Fräulein Fontana ist unsere Vermieterin.
    »Man muss sich gut mit ihr stellen«, hat Papa gesagt. »Auch wenn sie etwas schrullig ist. Sei immer nett und höflich zu ihr«, hat Papa gesagt.
    Manchmal wünsche ich mir einen anderen Vater. Einen, der mutiger ist. Herr Trietsch würde nie von Lukas verlangen, immer nett und höflich zu sein. Herr Trietsch sagt: »Wer nicht kämpft, hat schon verloren.«
    Wenn mein Vater ein Polizeiauto sieht, bremst er jedes Mal. Dann schimpft meine Mutter mit ihm. »Mein Gott, Gisbert, du fährst doch gar nicht zu schnell.«
    »Vorsicht ist besser als Nachsicht«, sagt Papa immer.
    Ich weiß es genau, irgendwas ist rausgekommen. Irgendwas Schlimmes hat Fräulein Fontana meiner Mutter erzählt. Ich gehe zum Fenster und zerquetsche die Fliege. Jetzt ist es totenstill in der Wohnung.

LUKAS
    Lukas Trietsch versuchte alles, um Mitglied im Club der Meisterdetektive zu werden.
    Er lauerte uns auf, er schlich um uns herum, er brachte sogar ganze Ringe Fleischwurst mit, um uns zu bestechen.
    Die Fleischwurst wollten wir, aber ihn wollten wir nicht. Wir wollten ihn auf keinen Fall und nie und nimmer.
    »Der hat doch Wurstfinger«, sagte Felix Vorhelm. »Der hat doch keine Ahnung. Wenn der sich anschleicht, bebt die Erde.«
    Das stimmte. Lukas Trietsch besaß nicht eine der Eigenschaften, die man braucht, um ein guter Meisterdetektiv zu sein. Er konnte nicht einmal flüstern. Und das Einzige, was Lukas Trietsch unheimlich fand, waren die Gruselfilme, die er heimlich anschaute, wenn seine Eltern abends auf der Versammlung der Metzgerinnung waren.
    Wie sollten wir so einem erklären, was das Unheimliche wirklich war? Wie sollten wir erklären, dass das Unheimliche sogar Vornamen hatte, dass es Benno hieß und Hubert und Ulrike. Lukas Trietsch hätte uns ausgelacht. Er hätte sich auf die Schenkel geschlagen vor Lachen. Wenn Lukas Trietsch lachte, schlug er sich meistens auf die Schenkel, und er wieherte beim Lachen wie ein großes Pferd.
    Einmal waren wir mit Lukas Trietsch bei Opa Thiemann gewesen, zum Kaninchenstreicheln.
    Opa Thiemann war nämlich Kaninchenzüchter.
    In seiner Küche standen fünfzehn Silberpokale auf einem Regal.
    »Die haben meine Belgischen Riesen gewonnen«, hatte Opa Thiemann erklärt. »Dann kommt mal mit.«
    Er hatte uns zu den Kaninchenställen geführt, jedem von uns ein Belgisches Riesenkaninchen in den Arm gelegt und gelacht.
    »Na, dann streichelt sie mal schön. Das mögen die nämlich.«
    Corinna Thiemann, Felix und ich hatten ganz still gesessen. Wir hatten die Kaninchen gestreichelt und vor Glück kaum zu atmen gewagt.
    Lukas Trietsch aber hatte sein Kaninchen an den Ohren gepackt und geschätzt, wie schwer es wohl war.
    »Vier Kilo mindestens«, hatte er gesagt. »Das wäre ein superguter Sonntagsbraten. Ehrlich, Leute.« Und sein wieherndes Pferdelachen war so laut gewesen, dass die Kaninchen zusammenzuckten und die Ohren anlegten.
    Nein, wir wollten Lukas Trietsch nicht in den Club der Meisterdetektive aufnehmen. Nie im Leben!
    Aber wir hatten ihn unterschätzt. Lukas konnte zwar nicht flüstern, er konnte nicht schleichen, aber wenn er etwas wirklich wollte, dann bekam er es auch.
    Wir saßen in Thiemanns Garage und spielten mit den jungen Katzen. Felix hatte eine Decke von zu Hause mitgebracht, und die alte Minka hatte den neuen Schlafplatz sofort angenommen. Das kleine Fenster über den aufgestapelten Winterreifen stand jetzt immer weit offen, damit Minka rein- und rauskonnte. Sogar die Margarinedose für die Katzenmilch hatten wir retten können.
    Corinna hatte Katzenfutter organisiert. Natürlich probierten wir alle davon. Es waren kleine knusprige Kügelchen, die etwas salzig schmeckten.
    »Eigentlich ganz lecker«, hatte Felix nachher gemeint. »Wenn man nicht genau wüsste, dass getrocknete Schweinehoden und Hühnerfüße drin sind ...«
    Corinna musste würgen.
    »Denk einfach nicht dran«, sagte Felix und grinste.
    Er zog ein schwarzes Notizbuch aus der Jackentasche.
    »Na, dann wollen wir mal sehen, was für Informationen wir
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