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Heißes Geld

Heißes Geld

Titel: Heißes Geld
Autoren: Will Berthold
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die Neue Welt, sondern in sein altes Leben zurück. Er hatte keine aufregende Blondine neben sich, sondern er war allein. Er hatte keine Dollarmillion im Gepäck, denn er war den Wahn und den Fluch seines Lebens losgeworden, den Traum vom heißen Geld, der ihn seit 18 Jahren um den Verstand zu bringen gedroht hatte.
    Nareike sah alt aus und verbraucht, als er an der Sperre seinen Paß vorlegte. 18 Jahre Untergrund hatten seine Wachsamkeit geschärft, aber jetzt merkte er nicht, daß der Beamte, der Lichtbild und Namen des Reisedokuments genau betrachtete, einem Kollegen einen unmerklichen Wink gab.
    Nareike setzte sich in ein Taxi und gab als Ziel Essen an. Der Fahrer machte ein bedenkliches Gesicht; er übernahm die Fuhre erst, als ihm der Gast 50 Mark Vorschuss gab. Nareike fuhr in seine letzte Niederlage – aber ein Linsenbusch macht daraus noch einen Pyrrhus-Sieg, denn etwas konnte er noch retten: Seine Freiheit – wenn er jetzt Hannelore aufstöberte, bevor sie größeren Schaden angerichtet hätte. Er würde sie beschwichtigen, und diesmal wären es gar keine verlogenen Beteuerungen, denn es fehlte ihm das Fluchtkapital. Ohne Geld müßte er in Südamerika vor die Hunde gehen. Aber in Essen hatte er immer noch eine angesehene Position. Vielleicht konnte er aus dem Zusammenbruch noch etwas machen, wenn er sich seiner Frau und Mitwisserin unterwerfen würde: Canossa lag im Ruhrgebiet.
    Sein amerikanischer Verfolger hatte ihn mit Hilfe Sabines um sein Geld gebracht, aber jetzt würde der Mann schleunigst verschwinden, ohne weiter in angejahrten Geschichten herumzuwühlen. Auch wenn ihm Saumweber ein letztes Mal das Bein gestellt hätte, müßte er erst einmal gefunden werden, und die Polizei könnte rätseln, ob er ertränkt, vergiftet oder sonst wie zu Tode gebracht worden sei. Anschuldigungen ohne Beweise aber wären nicht gefährlicher als nasses Schießpulver.
    »Wohin?« fragte der Fahrer, als sie sich Essen näherten.
    »Kettwig«, antwortete der Fahrgast. »Werksgelände der Firma Müller & Sohn.«
    »Kenn ich.«
    Sie hielten vor der Portiersloge, und der Fahrgast zahlte.
    Pfannenstiel stürzte auf Nareike zu, als er ihn erkannt hatte: »Herr Direktor, Ihre Schwester«, stotterte er. »Ich hätt's ja nicht erlaubt, aber der Juniorchef …«
    »Was ist mit meiner Schwester?« fragte der Spitzenmanager.
    »Sie hat kein Hotelzimmer bekommen. Jetzt hält sie sich in Ihrer Wohnung auf …«
    »Schon gut, Pfannenstiel«, erwiderte Nareike erleichtert, daß er nicht noch lange nach Hannelore herumsuchen mußte und sie bei der Schwesternversion geblieben war.
    Er fuhr mit dem Lift hoch, ging auf die Apartmenttüre zu. Es graute ihm vor der Begegnung, aber er wollte sie rasch hinter sich bringen, wie man eine bittere Medizin am besten auf einmal schluckt.
    Er sperrte auf; er hatte ein flaues Gefühl im Magen und ging zuerst in die Küche. Er goss sich ein Wasserglas voll Schnaps ein, um seine Lippen zu imprägnieren, bevor sie diese Megäre küssen mußten.
    Dann ging er in die Wohnhalle, sah die zusammengesunkene Gestalt am Tisch und nahm an, daß sie wieder stumm und haltlos vor sich hinweinen würde.
    »Na, du machst mir ja schöne Geschichten, altes Mädchen«, sagte er dann.
    Hannelore schwieg noch immer. Er öffnete das Fenster, zog die Jalousien hoch. Das Licht schoß wie ein Überfall in den Raum, blendete Nareike einen Moment.
    Dann sah er, daß ihm Hannelore nie mehr Vorwürfe machen würde: Ihr Gesicht war blau verfärbt, ihr Mund aufgerissen, ein Auge geöffnet, und mit diesem schrecklichen, starren Zyklopen-Auge schaute ihn seine Frau, die noch nie in ihrem Leben so hässlich ausgesehen hatte, unverwandt an.
    Nareike stand da, unfähig, sich zu rühren; er begriff, daß seine Zukunft so tot sein würde wie Hannelore, und daß sie die Siegerin geblieben war – und einen furchtbaren Preis dafür bezahlt hatte.
    Als Henry und Barbara in Zürich Arm in Arm auf das Bankhaus ›Hoyer & Schürmann‹ zugingen, hatte sie bereits erfahren, daß Hannelore Linsenbusch Selbstmord begangen und ihr Mann auf dem Kettwiger Werksgelände von Müller & Sohn verhaftet worden war.
    Die Assessorin holte das Bordcase aus dem Schließfach. Dann gingen sie beide in das Chefbüro, wo sie vom Direktor des Hauses erwartet wurden.
    »Ballauf«, stellte er sich vor, reichte zuerst Barbara, dann Henry die Hand. Er trug einen dunklen Anzug; er wirkte feierlich, lust- und humorlos, wie es der Umgang mit dem Moloch Kapital
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