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Heißes Geld

Heißes Geld

Titel: Heißes Geld
Autoren: Will Berthold
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und der Hausdiener in das Apartment. Die Helfer warfen sich zwischen die beiden und trennten sie, um in bewährter Routine den Skandal abzudichten.
    »Du bist nicht nur eine Schlampe«, beschuldigte Linsenbusch seine Exbegleiterin keuchend, »du bist auch eine Diebin.«
    »Kein Diebstahl«, versetzte Sabine. »Die Eintreibung einer offenen Rechnung. Der Preis ist allerdings hoch«, setzte sie mit Hass und Spott hinzu. »Du zahlst für den Russen mit.«
    Linsenbusch stand wie erstarrt. Er war zerschlagen und bestohlen, als er der Blondine seines Lebens nachsah, die ihn mit federnden, aufreizenden Schritten verließ. Er sah ihre langen Haare, die blond aufflammten, während sie die Türe zuschlug. Es war jetzt neun Uhr 30, und in Essens Stadtteil Kettwig vollzog sich Hannelores Schicksal mit der blinden Zwangsläufigkeit einer antiken Tragödie.
    Auch im Ruhrgebiet schien die Sonne, aber für Hannelore Linsenbusch leuchtete sie nicht. Sie hatte nur noch einen Wunsch, und so schrecklich er war, sie würde ihn verwirklichen. Sie erfasste nicht, wie schön Kettwig war, sie lief blicklos durch die idyllischen Straßen des alten Stadtkerns. Sie war verstört und doch beherrscht. Sie wußte, was sie zu tun hätte, und sie war entschlossen, für zwei zu handeln, für sich und gegen ihn.
    Auch Verfolger waren für Hannelore unwesentlich geworden, obwohl im Hotel ›Intercontinental‹ längst entdeckt worden war, daß sie sich davongeschlichen hatte. Tatsächlich war heute Morgen auf Betreiben des Kriminalrats Sigi Geliert vom Ermittlungsrichter ein Haftbefehl gegen Hannelore erlassen worden. Es gäbe nun keine Gefälligkeitsfahndung mehr. Und die Frau, die eine falsche eidesstattliche Erklärung zugunsten eines Kriegsverbrechers abgegeben hatte, wurde gleichzeitig in Hartmannsberg, Dingsbach, München und Frankfurt gesucht, wodurch mit endloser Verspätung der Fall Linsenbusch doch noch ins Rollen gekommen war.
    Die kleine Drogerie hatte gerade geöffnet. Eine junge Verkäuferin begrüßte höflich die frühe Kundin, die das Pflanzenschutzmittel E 605 verlangte.
    »Einen Moment, bitte«, erwiderte das Mädchen und holte den Chef.
    »Sie haben einen Garten?« fragte der Inhaber.
    »Nein«, antwortete Hannelore, »aber einen Balkon mit sehr vielen Pflanzen, und alle sind von Blattläusen befallen, sie gehen ein, wenn ich nichts dagegen unternehme.«
    »Gut«, entgegnete der Drogist. »Sie wissen, dieses Pflanzenschutzmittel ist äußerst giftig, es darf unter keinen Umständen in Kinderhände …«
    »Ich habe keine Kinder«, schnitt ihm Hannelore das Wort ab. »Die Gebrauchsanweisung finden Sie innen. Sie müssen genau nach Vorschrift verdünnen …«
    Der Tod, den eine Einsame einkaufte, war preiswert: Er kostete sechs Mark 50 und war in eine kleine Blechflasche verpackt und durch Schraubverschluss und Plastikkapsel gesichert.
    Hannelore zahlte und ging.
    Sie nahm ein Taxi und fuhr direkt zum Werksgelände der Firma Müller & Sohn. »Ich bin die Schwester von Herrn Nareike«, sagte sie zu Portier Pfannenstiel, der sie schon einmal an einem Wochenende telefonisch mit dem Spitzenmanager des Hauses verbunden hatte. »Mein Bruder ist in Urlaub und hat mir erlaubt, inzwischen seine Wohnung zu benutzen.«
    »Aber uns hat er nichts hinterlassen«, erwiderte Pfannenstiel verlegen.
    »Ich wollte das Angebot auch gar nicht in Anspruch nehmen«, versetzte Hannelore, »aber auf dem Gruga-Gelände ist die Bootsausstellung, und in ganz Essen und in 30 Kilometern Umkreis bekommt man kein Hotelzimmer.«
    »Ich kann das nicht entscheiden«, entgegnete Pfannenstiel; er sah erleichtert den Maserati des jungen Müller, stoppte ihn und fragte seinen Fahrer, ob er der Besucherin Nareikes Wohnung aufschließen dürfe.
    Der Junior-Chef warf einen schnellen Blick auf die Verwandte des Geschäftsführers: »Genauso habe ich mir seine Schwester vorgestellt«, brummelte er; er konnte Nareike so wenig ausstehen wie dieser ihn, und er hatte ihn weder vergessen, noch ihm verziehen, daß er sich nach dem Zwischenfall auf dem Sommerfest bei dessen eingebildeter Sekretärin entschuldigen mußte.
    »Goldene Löffel wird sie schon nicht klauen«, erwiderte der Junior hämisch. »Lassen Sie diese Hexe in seine Wohnung. Ich nehm's auf meine Kappe.«
    Pfannenstiel gab Hannelore einen Mann mit, der die Wohnung aufsperrte. Sie war ungelüftet, roch muffig. Die Jalousien waren herabgelassen. Hannelore sah sich ohne Neugier um. Es interessierte sie nicht mehr, wo
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