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Heinrich Mueller 05 - Mordswein

Heinrich Mueller 05 - Mordswein

Titel: Heinrich Mueller 05 - Mordswein
Autoren: Paul Lascaux
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Bibliotheksleihscheine.
    Auf dem Flachbildschirm an der Wand ein Video-Loop: Eine kräftige Frau in wallendem, rotem Gewand, mit langen, gelockten blonden Haaren wacht in einer fast leeren hölzernen Dachkammer über einem nackten Paar, das sich im direkt auf dem Boden liegenden Doppelbett vergnügt. Jede Kopulation, jeden Orgasmus verknüpft sie mit einem kosmischen Ereignis. Wenn sich die beiden lieben, fällt ein Komet auf die Erde.

Montag, 23.8.2010
    Heinrich hatte eine alte Kartonschachtel ausgegraben, voller Pornovideos aus den späten 80er-Jahren. Er wollte sich nicht daran erinnern, woher er sie hatte, deswegen stellte er sie neben den Müll wie all die andern, denn die Zeit der Bandspulen war definitiv abgelaufen. Er steckte aber doch noch eines ins Abspielgerät, drückte die Fernbedienung auf doppelte Geschwindigkeit und schaltete auf Normalmodus zurück, als zwei Frauen beim Kofferpacken übereinander herfielen.
    Jetzt erst erkannte er hinter der bläulich-violett-dunklen Farbe und dem unsäglichen Unterhaltungssaxophon den wahren Wert dieser handlungsarmen Filme: Echte Menschen, kaum geschminkt, trafen sich in kalifornischen Villen zum hemmungslosen Sex (dabei erinnerte er sich kurioserweise daran, dass ›Sex‹ in der Westschweiz ein Bergname war), mit meist natürlichen Brüsten (man erkannte sie daran, dass die Schwerkraft ungehindert auf sie wirkte) und unbegrenztem Schamhaar, Geschlechtsorgane ohne kosmetisch-chirurgische Korrekturen, einfach durchschnittliche Menschen mit einem ungewöhnlichen Hobby, primitiv, direkt, etwas schmutzig, obwohl man dem zurückhaltend Tätowierten noch beim Duschen zusehen durfte. Die vollbusige Blondine war schon etwas älter und hatte doch einen Packen Silikon abbekommen, der Typ trug Zuhältergoldkettchen, eine Rothaarige befriedigte sich selbst, während sie vom blinden schwarzen Pianospieler träumte und es kurze Zeit später mit ihm auf dem Klavier trieb (dass der Blinde dabei den falschen Eingang erwischte, wer möchte es ihm verübeln …). Simpler Geschlechtsverkehr, wacklige Großaufnahmen, und Trash-Titel wie ›Das Tal der Nymphomaninnen‹, ›Zwischen den Hüften von Savannah‹, ›Die Mädchen von der Schatzinsel‹. Rhythmik und Ästhetik eines industriellen Dampfhammers, total verschwitzte Schwerarbeiter, ethnologische Zusatzinformationen: Autofahrten durch kalifornische Städte, Ansichten von Vergnügungsparks, Schlafzimmern, Toiletten, Swimmingpools, Fast-Food-Buden und von den Frisuren der Männer.
    Der eigentliche Akt ließ wenig Romantik und keine Sehnsüchte übrig. So war es halt, das pralle Leben, harte Arbeit, wenig Erregung, kein Raum für Illusionen. Hier kam ungeschminkt rüber, was geschah, wenn man sich nach dem Konsum unzähliger Liebesfilme endlich nicht mehr in englischen Gartenlandschaften oder an traumhaften Karibikstränden befand, sondern im Bett mit der pickligen Sommersprossigen, dem downgepushten Hängebusen, dem schlaffen Muskelprotz und knoblauchschwitzenden Gigolo. Zum Glück war das Geruchskino noch nicht erfunden …
    Diese Filme musste er aufbewahren, sie würden später gesucht für Anatomielehrstunden aus einer Zeit, als die Menschen noch ohne künstliche Veränderungen ihres Körpers ausgekommen waren und damit beileibe nicht schlecht gelebt hatten.
    »Du spinnst«, sagte Leonie nach der Vorführung, »einen derart unterbelichteten Mist kannst du niemandem zumuten!«
    Es ist gerade, wie manche Mutter einen Ausbund von Schönheit an ihrer Tochter erwartet, und am Ende hat sie ein tiefäugiges, krummbeiniges Speckgesicht.
     
    Was André Huber und Claude Eckstein allerdings Bernhard Spring zumuteten, war nicht zu vergleichen mit billigem Porno, es war schon eher großes Kino, als die beiden am Montagmorgen durch die Pforte des Waisenhauses stolzierten und sich schnurstracks zum Büro des Störfahnders begaben, um zu erklären: »Nehmen Sie uns bitte in Schutzhaft!«
    Spring vergaß vor Staunen seinen Mund zu schließen. So etwas hatte er in seiner Karriere noch nicht erlebt, dass zwei gestandene Männer so den Schwanz einzogen.
    »Dafür brauche ich aber einen guten Grund«, müffelte er, denn er hatte nicht wirklich Lust darauf, den Sündenbock zu spielen.
    »Den kriegen Sie«, erklärte Eckstein.
    »Gut. Ich höre. Sie sind hier auf sicherem Grund.«
    »Wenn Sie die Fensterläden zusperren würden?«, bat Huber eindringlich.
    »Haben Sie Todesdrohungen erhalten?«, wollte Spring wissen.
    »Nein, das nicht«, sagte
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