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Heimkehr in den Palast der Liebe

Heimkehr in den Palast der Liebe

Titel: Heimkehr in den Palast der Liebe
Autoren: Alexandra Sellers
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Fuß von dem bunten Plastikding, und einen Moment lang sah ihn der Junge an, als rechnete er damit, getreten zu werden. Offenbar hielt er Sharif für keinen Deut besser als den Lastwagenfahrer.
    Sharif hob nur eine Braue, bückte sich und hob das Ding auf. Der Junge verstaute all die anderen Sachen unter seinem weiten T-Shirt. Dann baute er sich im Abstand von ein oder zwei Metern vor Sharif auf.
    "Das gehört mir. Geben Sie's her."
    Sharif nahm die Zigarre aus dem Mund. "Hast du es nicht gestohlen?"
    "Was geht Sie das an? Ich habe es gestohlen. Nicht Sie. Es gehört mir. Wenn Sie es behalten, sind Sie auch ein Dieb, genauso wie ich. Geben Sie es her."
    Der Junge hinkte so stark, offenbar hatte er seinen Knöchel gebrochen. Das Wichtigste war jetzt, ihn zu einem Arzt zu schaffen. Um alles andere könnte Sharif sich später kümmern.
    Er warf dem Jungen das Plastikding zu und wies mit dem Kopf auf seinen Wagen. "Steig ein."
    Doch der Kleine fing den Gegenstand auf, wirbelte herum und eilte auf den Straßenrand zu. Plötzlich hinkte er längst nicht mehr so stark. Sharif musste lächeln.
    "Sei nicht dumm!" rief Sharif. "Du bist verletzt! Lass dich zum Arzt bringen!"
    Der Junge blickte kurz zurück. Die Abendsonne ließ die Schatten unter seinen Augen und um die Wangenknochen so deutlich hervortreten, dass Sharif sich endgültig sicher war, dieses Gesicht schon einmal gesehen zu haben.
    "Wie ist dein Name? Zu welcher Familie gehörst du?"
    Doch der Junge glitt, halb rennend, halb rutschend, den Abhang hinab. Kurz darauf war er, flink wie ein Djinn in der Wüste, verschwunden.

2. Kapitel
     
    "Bist du es, mein Sohn? Hat Gott es gut mit dir gemeint?"
    Farida lag auf dem Bett neben ihrem Baby und versuchte, den weinenden Säugling mit einem in Zuckerwasser getränkten Stofffetzen zu beruhigen. Ihr schweißfeuchtes Haar hatte sie mit einem Schal zurückgebunden. Als Hani eintrat, blickte die junge Mutter auf und wischte sich seufzend mit der Hand über die feuchte Stirn. In dem Raum herrschte eine Temperatur wie in einer Sauna, obwohl die Sonne nur durch ein winziges, vergittertes Fenster hereindrang.
    Der Junge holte die Ausbeute des Tages unter seinem T-Shirt hervor. Nacheinander landeten mehrere Schokoriegel, ein Armband, ein Beißring für Babys und mehrere Orangen auf dem Bett. Farida lächelte müde.
    "Wie hast du das geschafft?" fragte sie und schüttelte staunend den Kopf.
    Der Junge zuckte nur mit den Achseln und ließ noch mehr Gegenstände auf das Bett fallen – manche waren nützlich, andere würden sich gegen Nützliches eintauschen lassen. Hani gelangen Dinge, von denen andere nur träumten.
    Er war ein geborener Jäger und Sammler. Vielleicht war es nur der elfengleichen Geschmeidigkeit seiner Bewegungen zu verdanken oder seiner Erfahrenheit, oder vielleicht war es einfach Glück, jedenfalls versorgte Hani seine Familie gut. Es war ein Glückstag für Farida gewesen, als der Junge sich ihr angeschlossen hatte. Er war zwar sehr jung und sehr zierlich, aber er hatte viele Jahre in Camps verbracht, und er war hart und zäh und dabei so schlau wie ein Erwachsener. Oft beschützte er sie und das Kind, einfach indem er schnell und gewitzt reagierte, wo ein Erwachsener seine Muskeln eingesetzt hätte.
    Wahrscheinlich nutzte er seine Fähigkeit, fließend Englisch sprechen zu können, um die Leute in den Läden auszutricksen. Niemand im Lager wusste, was er alles draufhatte – und wie nützlich das war! Hani wusste zum Beispiel immer, was im Lager vor sich ging, einfach weil er regelmäßig um die Verwaltungsbüros herumstrich und Augen und Ohren offen hielt. Er hatte auch als erster Bescheid gewusst über den Gesandten des Sultans, der kommen würde.
    Der Junge ließ einen letzten Gegenstand auf das Bett fallen. Eine Brieftasche aus schwarzem Leder.
    Farida staunte. Hani betätigte sich nicht oft als Taschendieb. Die Brieftasche sah sehr teuer aus, das Leder war fein und weich. Farida öffnete sie und seufzte, als sie das Bargeld im Innern sah. Rasch zählte sie es und lächelte. Dieser Betrag würde ihnen über viele Tage, ja Wochen, hinweghelfen!
    Sie reichte Hani das Geld, und der nahm einen Joghurtbecher, der auf dem Waschtisch zwischen einer Spülschüssel und einem Wassereimer stand. Darin steckte ein kaum kleinerer Becher, der einen Topfkratzer, ein Stück grüne Seife und einen Schwamm enthielt. Hani nahm den kleineren Behälter heraus, legte das Geld in den größeren und setzte den kleineren wieder
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