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Heimkehr in den Palast der Liebe

Heimkehr in den Palast der Liebe

Titel: Heimkehr in den Palast der Liebe
Autoren: Alexandra Sellers
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stolzen Fremden. Der trug eine eigenartige Kleidung, die man normalerweise in einer anderen Wüste trug, Welten entfernt.
    "Dort drüben ist Burry Hill." Er wies mit dem Kopf zum Horizont, ohne darauf zu achten, wie sehr sich der Junge gegen ihn wehrte. "Es ist nicht so sicher wie die anderen Lager. Es heißt, man kann ziemlich einfach entwischen, aber wo sollen die schon hin? Es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als wieder zurückzugehen. Ich hab schon von diesem Trick gehört – sie werfen so 'ne Art Feuerwerkskörper unter die Räder, und wenn man dann anhält, springen sie schnell ab und sind in der Wüste verschwunden, bevor man sie erwischt. Aber diesmal nicht, was?" Er zerrte am Handgelenk des Jungen und bleckte die Zähne. "Diesmal nicht."
    "Lass mich los, du stinkender Kameltreiber!" schrie der Kleine, und dann schien er sein Englisch zu vergessen und verfiel in eine Art Lagerdialekt, offenbar eine Mischung aus bagestanisch gefärbtem Arabisch und Parvani. Es folgte ein Schwall von Beleidigungen.
    Sharif knipste sein goldenes Feuerzeug an. Seine Mundwinkel zuckten verdächtig, als er den detaillierten Ausführungen des Jungen lauschte, während dieser dem Lastwagenfahrer erklärte, dass er wohl zu blöd sei, bei einer Ziege vorne von hinten zu unterscheiden. Sharif beugte den Kopf über die Flamme. Als er ihn wieder hob, fiel sein Blick erneut auf das Gesicht des Jungen. Einen Moment lang verharrte er wie erstarrt.
    "Komm her, du kleiner …" Der Lastwagenfahrer versuchte, ihm einen Tritt zu versetzen, doch der Kleine war zu flink, trotz seiner Verletzung.
    "Sohn einer räudigen Hündin!"
    Das Feuerzeug schloss sich mit einem vornehmen Klicken. Sharif Azad al Dauleh hob den Kopf und nahm die Zigarre aus dem Mund.
    "Lassen Sie ihn los."
    Der Fahrer machte große Augen. "Was?"
    "Sie sind größer als er. Und Sie können sich an Ihre letzte Mahlzeit erinnern."
    "Was hat das damit zu tun? Er hätte uns beide umbringen können! Er ist ein Dieb! Sehen Sie sich diesen Kram hier an – alles geklaut, das steht fest!" schrie der Fahrer und deutete auf die Gegenstände auf dem Boden.
    "Lassen Sie ihn los."
    "Sie haben kein …"
    Der Lastwagenfahrer musste aufschauen, um dem Fremden in die Augen zu blicken. Er zögerte. Sharif verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte. Der Junge nutzte den Moment, um sich loszureißen und an Sharif vorbeizuhumpeln. Keuchend suchte er hinter der offenen Wagentür Schutz.
    "Ich glaube, Sie haben sich geirrt. Sie sind über eine Plastikflasche gefahren", erklärte Sharif.
    Es folgte ein langer Moment gegenseitigen Anstarrens. Schließlich blickte der Lastwagenfahrer von dem dunkeläugigen Scheich zu dem dunkeläugigen Jungen und schnaubte verächtlich.
    "Verstehe. Er gehört zu Ihnen, was?"
    "Ja", erwiderte Sharif leise. "Er gehört zu mir."
    Irgendetwas in seinem Gesichtsausdruck ließ den anderen zurückweichen. "Ach was", brummte er. "Ich hab keine Zeit für so was. Muss meine Termine einhalten." Er spuckte auf die am Boden verstreuten Besitztümer des Jungen, drehte sich um und stapfte zurück zu seinem Gefährt.
    Kurz darauf raste der Lastwagen wieder über die Straße, als wolle er seinen eigenen Abgasen entkommen.
    Sharif blieb kurz stehen und blickte zum Horizont. Er fragte sich, ob er wirklich gesehen hatte, was er glaubte, gesehen zu haben. Vielleicht hatte er auch nur zu viel Sonne abbekommen.
    "Komm her!" befahl er, ohne jedoch seine Stimme zu erheben.
    Der Kleine sah halb verhungert aus. Die nackten Arme, die aus dem zu weiten T-Shirt herausragten, waren schrecklich dünn, und der lange Hals und die hohlen Wangen erweckten erst recht den Eindruck, als ob er dringend eine richtige Mahlzeit brauchte. Aber was die Ähnlichkeit betraf, da war kein Irrtum möglich.
    "Wie heißt du?" fragte Sharif auf Arabisch.
    Der Junge sah ihn an wie ein verwundetes Tier, das nur auf die Rückkehr seiner Kräfte wartet, um zu fliehen.
    "Ich frage aus einem bestimmten Grund", sagte Sharif.
    Der Junge erklärte ihm, er könne sich seine Frage und die Gründe dafür sonst wohin schieben, und benutzte dabei die gleiche Sprache wie gegenüber dem Lastwagenfahrer. Er erwies sich dabei als überaus kreativ und fantasievoll.
    "Sag mir den Namen deines Vaters."
    Für einen kurzen Moment senkte sich ein Schatten auf das Gesicht des Kleinen, aber dann zuckte er nur die Schultern, als wolle er sagen, "zum Teufel mit dir", und humpelte über die Straße, um eine Orange aufzuheben. Sharif nahm den
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