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Heimkehr in den Palast der Liebe

Heimkehr in den Palast der Liebe

Titel: Heimkehr in den Palast der Liebe
Autoren: Alexandra Sellers
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Foto. Es zeigte ein etwa vierbis fünfjähriges Kind. Dunkle, glänzende Locken fielen auf schmale Schultern. Rosige Wangen, ein verschmitztes Lächeln, große, glänzende Augen zeugten von einem gesunden, glücklichen Kinderleben.
    Sollte er jemals eine Tochter haben, würde er sich wünschen, dass sie so sein möge.
    "Wie alt ist sie jetzt?" fragte er.
    "Wenn das, was in den Unterlagen steht, korrekt ist, einundzwanzig."
    "Sie sieht wirklich aus wie eine al Jawadi."
    Ashraf nickte. "Ja."
    Sharif blickte immer noch auf das Bild. Er fühlte sich geradezu magisch angezogen von diesem Gesicht. Was für eine Frau war sie wohl geworden? Wenn sie noch lebte … "Und ich soll sie also suchen?" sagte er.
    "Ja, beziehungsweise herausfinden, was aus ihr geworden ist. Und doch, wenn überhaupt eine Aussicht besteht … Allah weiß, wie viele Lager du aufsuchen musst. Eigentlich ist es aussichtslos, Sharif. Das ist mir klar."
    Sharif nickte nachdenklich. Schließlich standen die Männer auf und umarmten sich zum Abschied. "Tu dein Bestes. Vielleicht wirst du aber trotzdem erfolglos sein", sagte der Sultan, und sein Mund verzog sich zu einem kurzen Lächeln. Er legte die Faust auf die Brust.
    "Bei meiner Seele, bei meinem Leben, mein Gebieter", sagte Scheich Sharif Azad al Dauleh. "Wenn die Prinzessin lebt, werde ich sie finden."
     
    Endlich meldete sich der Sultan. "Sharif."
    "Mein Gebieter."
    "Gibt es Neuigkeiten?"
    "Ich glaube, ja, Ashraf."
    "Du hast eine Spur?"
    "Nicht von der Prinzessin", erwiderte Sharif. "Ashraf, mach dich auf etwas ganz Merkwürdiges gefasst. Ich habe jemand anderen gefunden. Ich dachte …"
    "Jemand anderen?"
    "Einen Jungen, ich schätze vierzehn oder fünfzehn Jahre alt." Weit draußen in der Ferne sah man einen trüben Lichtfleck, das Flüchtlingslager. "Er ist verwaist, schätze ich, und hat sich einer Familie angeschlossen, die eindeutig nicht die seine ist. Wenn er kein al Jawadi ist, dann bist du es auch nicht. Hast du eine Ahnung, wer er sein könnte?"
    Der Sultan schwieg betroffen. "Allah, was soll ich dazu sagen?" erwiderte er dann. "Über manche Zweige unserer Familie wissen wir so wenig, und doch … könnte jemand den Namen falsch verstanden haben? Oder könnte es sein, dass zwei von Mahloufs Kindern entkommen sind?"
    "Der Junge spricht Englisch, das würde passen." Sharif zögerte. "Zum Zeitpunkt des Attentats wäre er noch ein Baby gewesen."
    Auf dem Tisch hinter ihm lag die Akte über Prinzessin Shakira. Sharif drehte sich um und nahm das Foto. Inzwischen war es für ihn fast zur Obsession geworden, dieses Kind lebend zu finden. Zu erfahren, was für ein Mensch sie geworden war. Unmöglich, sich damit abzufinden, dass diese hübsche, vor Lebendigkeit sprühende kleine Elfe einfach so ausradiert wurde, ohne die Chance erhalten zu haben, sich zu voller Schönheit zu entfalten.
    Aber wenn es ein Junge war, der entkommen war … hatte er etwa die ganze Zeit nach der falschen Person gesucht?
    Ashrafs Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. "Was sagt der Junge selbst?"
    "Ich habe ihn noch nicht befragt. Er ist sehr stark geprägt von dem, was er durchgemacht hat." Das Gesicht des Jungen, gezeichnet von Leid und Hunger, tauchte vor seinem geistigen Auge auf. Abgesehen von den für die al Jawadis typischen Merkmalen hätte der Kontrast zwischen diesem Gesicht und dem des Mädchens auf dem Foto nicht größer sein können. Shakira vertraute, der Junge traute keinem; Shakira war fröhlich, der Junge litt; Shakira war wohlgenährt, der Junge ausgezehrt; Shakira glaubte an das Gute, der Junge hatte gelernt, zynisch zu sein. Und doch, irgendetwas verband die beiden.
    "Ich bitte um die Erlaubnis, den Jungen heimbringen zu dürfen, auch ohne dass wir Genaueres über seinen Hintergrund wissen. Es wäre zu grausam, hier Untersuchungen anzustellen und Hoffnungen in ihm zu wecken, um ihn dann, falls die Ergebnisse doch anders ausfallen, in diesen Verhältnissen zurückzulassen."
    "Nein, das können wir natürlich nicht tun. Tu, was du für richtig hältst, Sharif."
    Nachdem er aufgelegt hatte, blieb Sharif einfach stehen und blickte hinaus über die dunkle Wüste.
    Sharif Azad al Dauleh wurde immer wieder nachgesagt, er sei kalt, zynisch, egoistisch und scharfsinniger, als gut für ihn sei. Aber keine dieser Anschuldigungen traf wirklich zu. Sharif war sehr intelligent und stolz auf seine adlige Herkunft. Er war aber auch mutig und hatte wenig Verständnis für Schwäche oder Feigheit. Männer – und Frauen
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