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Heimkehr in den Palast der Liebe

Heimkehr in den Palast der Liebe

Titel: Heimkehr in den Palast der Liebe
Autoren: Alexandra Sellers
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–, die ihm in dieser Hinsicht unterlegen waren, neideten ihm seinen starken Charakter.
    Er hatte in den Wochen des vergeblichen Suchens unendlich viel Leid gesehen. Erst jetzt spürte er, wie sehr das Gefühl der Hilflosigkeit ihn belastete. Lag es daran, dass der Junge so offensichtlich ein al Jawadi war? Oder lag es einfach an dem Jungen selbst? Oder war dieses Kind mit dem viel zu ernsten Blick – war dieses Kind nur der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte?
    Oder war es einfach so, dass Sharif das Gefühl brauchte, endlich etwas zu tun – so wenig es auch sein mochte –, indem er wenigstens ein unglückliches Wesen aus dieser Hölle befreite?
    Er war froh, nach Hause fliegen zu können. Er brauchte eine Atempause.
     
    "Nach Hause?" flüsterte Hani. "Mich nach Hause bringen?"
    Schon wieder stieg das Bild von dem Springbrunnen vor ihm auf, und sein Herz schlug schneller.
    Sharif merkte, dass er einen Fehler gemacht hatte. Noch nie war eine Befragung so schwierig gewesen.
    "Nach Bagestan."
    "Ist dort meine Mutter? Und mein Vater?" fragte der Junge traumverloren.
    Sharif schluckte. Allah, wie hatte er glauben können, allein damit fertig zu werden? "Ich fürchte nein, Hani."
    "Sie sind tot", sagte Hani tonlos. Einen Moment lang betrachtete ihn der Junge geradezu andächtig. "Sind Sie mein Bruder?" flüsterte er.
    Diese Frage erschütterte ihn.
    "Nein", erwiderte er sanft. "Ich bin nicht dein Bruder."
    Hani biss sich auf die Lippen. Plötzlich war ihm die Kehle wie zugeschnürt.
    "Wer bin ich? Wissen Sie, wer ich bin?"
    "Es tut mir Leid, Hani. Ich habe nur Fragen, genau wie du selbst. Wenn es irgendetwas gibt, das du mir erzählen kannst, könnte das helfen herauszufinden, wer du bist. Erinnerst du dich an irgendwelche Namen?"
    Er hatte eigentlich nicht so anfangen wollen. Er hatte eigentlich so wenig wie möglich sagen wollen – nur so viel, dass der Junge sich bereit erklärt hätte, mit ihm in ein Flugzeug zu steigen.
    Hani schüttelte den Kopf. Seine Augen waren feucht. "Ich musste all diese Namen vergessen, als ich noch ganz klein war. Ich kann mich an keinen einzigen mehr erinnern, nicht einmal an die von meinen Geschwistern. Sie sagten zu mir, jemand würde mich töten, wenn ich die Namen ausspräche. Ein böser Mann."
    Sharif versuchte mit aller Kraft, sich nicht anmerken zu lassen, was er empfand. Es hatte viele Opfer gegeben, doch nur ganz bestimmte Menschen waren allein auf Grund ihres Namens in Gefahr gewesen, von Ghasibs Männern getötet zu werden: Mitglieder der Königsfamilie.
    "Wer hat das gesagt?"
    "Meine – sie sagten, sie sei meine Mutter, aber ich wusste, das war sie nicht. Für mich war sie immer meine Stiefmutter. Aber das durfte ich nicht sagen."
    Sie schwiegen beide, und die Stille schien plötzlich sehr bedeutungsvoll zu sein.
    "Wie hieß die Familie deiner Stiefeltern?"
    Hani hielt den Atem an, als spürte er, dass dieses eine Wort, wenn er es ausspräche, alles verändern würde.
    "Bahrami", wisperte er.
    Diesmal konnte Sharif seine Reaktion nicht verbergen. Wie elektrisiert beugte er sich vor und starrte den Jungen an.
    "Bahrami", wiederholte er. "Arif al Vafa Bahrami."
    "Ja."
    Plötzlich brach es aus Hani heraus. Zu lange hatte er zu viele Fragen für sich behalten müssen. "Sagen Sie mir, wer diese anderen Leute waren! Ein Mann und eine Frau, und andere Kinder, und ein Haus mit einem Springbrunnen. Rosen und … so viele Rosen. Wer waren sie?"
    Sharif schluckte schwer.
    "Hani, ich glaube – bitte, du musst verstehen, dass wir es nicht mit Sicherheit sagen können –, dass dein Vater möglicherweise Mahlouf Jawad al Nadim war. Hat er …"
    Hanis Herz setzte fast aus. Er zitterte am ganzen Körper. "Mein Vater? Ist das der Name meines Vaters? Ist er … lebt er? Hat er Sie geschickt?"
    "Es tut mir Leid, Hani, nein. Er ist seit vielen Jahren tot. Kommt dir der Name vertraut vor?"
    Er schüttelte den Kopf, halb blind vor Tränen. Sollte das der Name seines Vaters sein? Worte, die ihm nichts sagten? "Warum kenne ich den Namen nicht, wenn es der meines Vaters war?" Er wiederholte ihn leise, wie um ihn auszuprobieren. "Mahlouf Jawad al Nadim. Mein Vater."
    "Du musst noch sehr jung gewesen sein, als sie starben", sagte Sharif tröstend. "Vielleicht hast du den Namen noch nie gewusst."
    Sharif drehte sich um und holte die Akte über Prinzessin Shakira aus seiner Mappe und schlug sie auf, beobachtet von Hanis forschendem Blick. "Ich möchte dir ein Foto zeigen", sagte er
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