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Heimat Mensch - Was uns alle verbindet

Titel: Heimat Mensch - Was uns alle verbindet
Autoren: Christoph Antweiler
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Kulturen«. Die geraten sonst schnell zur einheitlichen Restkategorie. Kollegen aus anderen Ländern nennen diese Sicht etwas verbittert the West versus the Rest .
    Gerade am fremden Beispiel wird die Problematik schnell anschaulich: Ist die japanische Kultur asiatisch oder westlich? Das hängt von sozialen Situationen und auch von der Perspektive ab. Für Deutsche sind Japaner Asiaten. Für Menschen in Indonesien sind die Japaner »Westmenschen«. Die meisten Japaner halten sich selbst nicht für westlich, aber auch nicht für asiatisch! Sie sehen sich als etwas ganz Besonderes. Das hilft ihnen beim Urlaub in Hawaii gar nicht. Da werden sie als Asiaten behandelt. Und was ist »unsere Kultur«? Ist es die westliche oder die europäische, die deutsche, die unseres Bundeslandes oder doch nur die rund um unseren Wohnort? Ist es womöglich gar keine regional bestimmte Kultur, sondern etwa die der Universität, und ich bin eher Angehöriger des ganz besonderen Stamms der Ethnologen? Statt solcher binärer Gegenüberstellungen bevorzuge ich Vergleiche in mehrere Richtungen. Ich stelle dem modernen deutschen oder amerikanischen way of life die Lebensweise mehrerer Kulturen quer über den Globus zur Seite.
    Einheit und Vielfalt sind keineswegs einfach zwei austauschbare Perspektiven. Es ist nicht so, dass ich nach Belieben das eine oder das andere betonen kann. Selbstverständlich gibt es Unterschiede zwischen Kulturen. Oft sind sie sogar gravierend. Menschen anderer Kulturen befremden einen, und diese Fremdheit sollte man nicht wegdiskutieren. Die vermeintlich »ganz anderen« Kulturen sind bei genauem Hinsehen aber oft verblüffend gleich. Und diese Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen sind viel fundamentaler. Die Kulturen der Welt bilden eine Familie. Das bedeutet, wie wir wissen, nicht automatisch Harmonie. Sie sind aber miteinander verflochten wie die Mitglieder einer weitläufigen Verwandtschaft.
    Die Kulturen dieser Welt sind zunächst durch die gemeinsame biologische Herkunft ihrer Mitglieder verbunden. Wir sind alle Menschen, weil wir von Menschen abstammen. Das ist das erste Band. Und als sehr besondere Tiere sind wir Menschen in vielem prinzipiell gleich. Außerdem sind Kulturen durch gemeinsame Probleme verknüpft. Sie kämpfen oft mit den gleichen Fragen. Alle Gesellschaften müssen mit den Anforderungen des Überlebens und mit unterschiedlichen Interessen zwischen Generationen fertig werden. Überall sind politische Führer sterblich und müssen ersetzt werden. Die Ungleichheit der Geschlechter ist ein Dauerbrenner durch alle Zeiten und Räume. Jede Gesellschaft muss sich den unterschiedlichen Talenten ihrer Mitglieder stellen.
    Kein Wunder, dass ähnliche Probleme von den Kulturen oft ganz ähnlich gelöst werden. Diese unabhängig voneinander gefundenen Lösungen sind das dritte Band, das uns miteinander verknüpft. Schließlich bringt die weltweite Vernetzung die Gesellschaften zueinander, und zwar nicht erst seit gestern. Die Globalisierung macht die Kulturen zwar nicht gleich. Entgegen sozialromantischen Wunschbildern sitzen wir nicht alle in einem Boot. Das wäre auch ein Boot ohne Steuermann, denn eine Weltregierung gibt es nicht. Die globale Vernetzung ist aber eine starke Kraft, die heute alle Kulturen verbindet.
    Erst wenn wir beide Seiten zusammendenken – die Vielfalt und das Einigende –, statt nur auf kulturelle Kontraste zu starren, erhalten wir ein vollständiges und scharfes Bild. Und das zeigt neben faktischen Kulturunterschieden und oft oberflächlichen Kontrasten eine weltweite Basis prinzipieller Gleichheiten.


Oben und unten Macht, Sitzordnung und Körpersprache
    Donald Brown ist 1970 in Brunei in Südostasien. Er macht dort gerade seine erste längere Feldforschung und sammelt Daten für seine Doktorarbeit. Es soll um die Sozialstruktur der Malaien gehen. Brunei ist weltbekannt für seinen Reichtum, und der enorme Palast des Sultans thront über dem sonst schläfrigen Kleinstaat an der Küste der Insel Borneo. Brown interessiert sich weniger für den Scheich, seine vielen Frauen und seine märchenhaften Schätze, sondern für die ganz normale Bevölkerung: Fischer, Händler und Büroangestellte. Mit seiner Frau bewohnt er ein kleines, einfaches Häuschen in einem Viertel am Rand der Hauptstadt. Dort ist er im Zentrum des Lebens und bekommt viel vom Alltag mit.
    Eines Tages sitzt Brown auf der Holzbank vor dem Haus. Er ist ganz am Anfang seiner Forschung und verarbeitet die vielen
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