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Heimat Mensch - Was uns alle verbindet

Titel: Heimat Mensch - Was uns alle verbindet
Autoren: Christoph Antweiler
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hat Cook genaue Regeln für den Handel zwischen Einheimischen und seiner Crew ausgehängt. Die Insulaner sollen nicht übervorteilt werden. Auch die Kontakte zwischen seinen sexhungrigen Männern und den Frauen sind genau geregelt. Der Arzt untersucht jeden Seemann auf Geschlechtskrankheiten. Cook ist sich völlig im Klaren darüber, wie prekär die erste Begegnung zweier so fremder Kulturen ist. Er ist aber auch Kind seiner Zeit und hat das Bild des »edlen Wilden« im Kopf. Deshalb macht ihm vor allem die Störung der friedlichen Naturmenschen Sorgen. Er will kaum wahrhaben, dass die Insulaner auch eine kriegerische Seite haben, so wie Rousseau nicht glauben will, dass es bei den Maori auf Neuseeland Kannibalismus gibt.
    Zugleich ist Cook vorsichtig. Er verbringt fast sechs Wochen vor der Küste von Hawaii, ohne zu landen. Erst einmal fährt er hin und her und treibt mit den Hawaiianern nur Tauschhandel. Er will ihr Verhalten erkunden und schiebt die Landung heraus, bis er endlich am 17. Januar 1779 in der Bucht von Kealakekua an der Westküste vor Anker geht. König Paria und der einheimische Adel wissen, wie man einen hohen Mann ehrenvoll begrüßt. Die Crew wird von tausend Kanus empfangen. Hunderte von Menschen kommen zu den Schiffen geschwommen, »wie ein Fischschwarm«, staunen seine vereinsamten Männer. Oberpriester Koah führt Cook und einige seiner Leute zu einem Schrein. Der verblüffte Kapitän wird in ein rotes Tuch gehüllt und gesalbt. Er hört mehrmals »Lono« -Rufe und weiß damit nichts anzufangen. Wo immer er auftaucht, werfen sich Hunderte von Insulanern feierlich vor ihm auf die Erde.
    Die Menschen glauben, dass ihr Ahnengott Lono die Insel vor langer Zeit verlassen hat, aber eines Tages wiederkommt und ihnen wunderbare Gaben bringt. Cook hat Nägel und Beile aus Eisen dabei, die keiner ihrer vielen bisherigen Kontaktpartner anzubieten hatte. Im Tausch gegen Lebensmittel geben die Seeleute den Insulanern Messer. Der Zufall will es, dass er und seine Männer sich so verhalten, wie es die Hawaiianer von ihrem Gott erwarten. Für sie ist Cook der fleischgewordene Lono .
    Die hohen Gäste werden von morgens bis abends mit Darbietungen unterhalten und mit Speisen verwöhnt. Getreu ihrer Überlieferung denken die Hawaiianer allerdings, dass der Ahnengott nur einen kurzen Besuch abstattet. Nach zwei Wochen fragen sie Cook dezent, wie lange er bleibt. Er bemerkt, dass ihre Gastfreundschaft nachlässt. Nach den Erfahrungen mit ihm und seinen Männern fragen sie sich wohl langsam, ob er tatsächlich ein Gott ist. Der Kapitän spürt, dass die Situation brenzlig wird, und sticht am 4. Februar Richtung Maui in See.
    Das Schicksal will es, dass sie die Nachbarinsel nicht erreichen, sondern nach wenigen Meilen umkehren müssen. Ein starker Sturm kommt auf. Außerdem bricht der Fockmast der Resolution und muss repariert werden. Nach der Rückkehr merkt Cook, dass der heilige Respekt vor den Engländern verflogen ist. Diebstähle häufen sich. Die Hawaiianer machen sich auch noch lustig, wenn sie erwischt werden. Die Seeleute tragen jetzt immer Musketen bei sich. Schließlich fehlt am Morgen des 13. Februar eine Schaluppe. Cook ist außer sich vor Wut und beschließt, den Häuptling so lange als Geisel zu nehmen, bis das Boot wieder herausgegeben wird. Die Ereignisse überschlagen sich. Kurze Zeit danach ist er tot.
    James Cook hat sein letztlich unzureichendes Verstehen der Kultur Hawaiis mit dem Leben bezahlt. Über die genauen Ursachen seines Todes können wir nur spekulieren. Waren die Hawaiianer tatsächlich bitter enttäuscht, statt ihres Gottes einen einfachen Menschen vor sich zu haben? Vielleicht hat Cook lediglich ihre materiellen Erwartungen nicht erfüllt. Oder hat er die Etikette missachtet, was in jeder rangbewussten Gesellschaft lebensgefährlich sein kann? Ganz sicher haben seine Leute zu wenig Respekt vor den Einheimischen gezeigt. Einige seiner Männer vergewaltigten einheimische Frauen. Und in der polynesischen Kultur Hawaiis waren Ehre, Rang und Respekt entscheidende Größen. Wir können Cook nicht mehr fragen, und die Menschen im heutigen Hawaii sind sich nicht einig, was genau geschah. Historiker und Ethnologen streiten immer noch darüber.
    In der Regel verlaufen kulturelle Begegnungen nicht derart dramatisch. Kulturen treffen nicht als Blöcke aufeinander. Spätestens seit den 1970er Jahren gibt es keine unentdeckten Völker, also auch keinen »Erstkontakt« mehr. Heute treffen in der
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