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Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Titel: Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
Autoren: Edmund Crispin
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Eigenschaften eines Hilfspfarrers, daß es schon wieder verdächtig wirkte. Gelegentlich warf er einen nervös forschenden Blick zu der Frau mit der Reisedecke hinüber. Die war derweil mit der enervierenden Begutachtung der anderen Personen im Abteil beschäftigt, die die meisten Leute anscheinend zu Beginn einer langen Bahnfahrt als notwendig erachten. Schließlich, wohl aus dem Gefühl heraus, daß sie es so weit getrieben hatte, daß Verlegenheit in aktives Unbehagen umschlagen könnte, sagte sie zu dem Geistlichen mit einem durchdringenden Blick auf eine winzige Armbanduhr:
    »Um wieviel Uhr sind wir in Tolnbridge?«
    Die Frage stieß auch bei anderen auf ein gewisses Interesse. Sowohl Geoffrey als auch Fielding fuhren leicht zusammen, mit gut geübter Gleichförmigkeit, und schauten rasch zu der Sprechenden hinüber, während sich bei dem Pareto-Anhänger gegenüber von Geoffrey ebenfalls merkliche Aufmerksamkeit regte. Alles in allem war es nicht sonderlich überraschend, daß noch jemand anders im Abteil nach Tolnbridge wollte, wenngleich es verglichen mit Taunton und Exeter ein unbedeutendes Reiseziel war; doch Geoffrey war viel zu beunruhigt und nervös, um so eine simple Schlußfolgerung zu ziehen.
    Der Geistliche schien um eine Antwort verlegen. Er blickte sich hilflos um und sagte:
    »Das weiß ich leider nicht genau, Mrs. Garbin. Ich könnte mich ja mal erkundigen –« Er erhob sich halb von seinem Platz. Der Mann Geoffrey gegenüber beugte sich vor.
    »Fünf Uhr dreiundvierzig«, sagte er entschieden. »Aber ich fürchte, wir werden uns verspäten.« Er zog eine goldene Uhr aus seiner Westentasche. »Planmäßige Abfahrt war schon vor zehn Minuten.«
    Die Frau mit der Reisedecke nickte energisch. »In Kriegszeiten müssen wir uns wohl mit so was abfinden«, sagte sie, und in ihrer Stimme schwang ein stoisch resignierter Unterton mit. »Steigen Sie auch dort aus?« fragte sie gleich darauf.
    Der dicke Mann neigte den Kopf. Die widerwillige und verlegene Demokratie des Zugabteils kam schleppend in Gang. »Haben Sie es weit?« erkundigte er sich bei Geoffrey.
    Geoffrey zuckte zusammen. »Ich fahre auch nach Tolnbridge«, erwiderte er leicht unterkühlt. »Heutzutage haben fast alle Züge Verspätung«, fügte er hinzu, weil ihn das Gefühl beschlich, daß seine vorherige Bemerkung für sich allein einen ungenügenden Beitrag zur allgemeinen Unterhaltung darstellte.
    »Zwangsläufig«, sagte der Geistliche, sein Scherflein beitragend. »Wir können von Glück sagen, daß überhaupt noch Züge fahren.« Er wandte sich an die Frau mit dem Kind. »Haben Sie eine lange Reise vor sich, Madam? Es ist bestimmt sehr anstrengend, mit einem Kind zu reisen.«
    »Ich fahre weiter in den Westen als Sie alle«, sagte die Mutter. »Viel weiter nach Westen«, fügte sie hinzu. In ihrer Stimme schwang die Entschlossenheit mit, daß sie so weit westlich wie möglich auf ihrem Platz bleiben wollte, selbst wenn der Zug über Land’s End hinaus ins Meer fahren würde.
    »Ein richtig lieber Junge«, sagte der Geistliche, während er das Kind mit Widerwillen ansah. Es spuckte wütend nach ihm.
    »Aber, Sally, so etwas tut man doch nicht«, sagte die Mutter. Sie funkelte den Geistlichen mit unverhohlener Boshaftigkeit an. Er lächelte unglücklich. Der dicke Mann wandte sich wieder seinem Buch zu. Fielding saß verdrossen und schweigend da und überflog eine Abendzeitung.
    Genau in diesem Augenblick, inmitten eines schrillen Pfeifkonzerts, das die unmittelbar bevorstehende Abfahrt ankündigte, kam es zu der Störung. Ein Mann mit einem schweren Koffer tauchte draußen auf dem Gang auf und spähte durchs Fenster, wobei er auf und ab hüpfte wie eine Marionette, um hineinschauen zu können. Dann stieß er die Tür zur Seite und trat aggressiv über die Schwelle. Er trug einen blanken schwarzen Anzug mit einer etwas mitgenommen wirkenden Nelke im Knopfloch, hellbraune Schuhe, eine Perlenkrawattennadel, einen schmutzigen grauen Filzhut und ein zitronenfarbenes Taschentuch in der Brusttasche; er hatte Nikotinflecken an den Händen und dreckige Fingernägel; sein Gesicht war rot, fast apoplektisch, und er wischte sich die Nase mit dem Handrücken ab, während er dem Geistlichen über die Füße trampelte und den Koffer wie einen störrischen Hund hinter sich herzog, bis der nach vorne kippte und die in die Reisedecke eingehüllte Frau mit einem lauten Schlag am Knie traf.
    »Hier ist kein Platz!« sagte sie wie auf Kommando. Ein
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