Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Titel: Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
Autoren: Edmund Crispin
Vom Netzwerk:
wahrscheinlich den Kopf stoßen würde. Geoffrey dankte seinen Helfern überschwenglich, die wieder Platz nahmen, erhitzt, aber zufrieden dreinblickend. Er wandte sich wieder seinen übrigen Habseligkeiten zu, um sie vom Sitz auf das Gepäcknetz zu verfrachten. Obenauf lag jetzt ein Brief, der nicht ihm gehörte, aber eindeutig an ihn adressiert war. Das Papier und die Schreibmaschinenschrift kamen ihm unangenehm vertraut vor. Er öffnete ihn und las:
    Sie haben noch Zeit auszusteigen. Wir haben Rückschläge erlitten, aber wir werden bestimmt nicht immer scheitern.
    Ohne auf Fieldings neugierigen Blick zu achten, steckte er den Brief nachdenklich in die Tasche und räumte seine restlichen Sachen aus dem Weg. Während des vorausgegangenen Durcheinanders hätte jeder im Abteil den Brief dahin legen können, und genaugenommen – da das Fenster weit offen war – hätte jeder ihn von draußen hereinwerfen können. Er versuchte, sich zu erinnern, an welcher Stelle die einzelnen Personen im Abteil gewesen waren, aber es gelang ihm nicht. Er setzte sich einigermaßen beunruhigt hin.
    »Wieder einer?« sagte Fielding; er hob deutlich fragend die rechte Augenbraue.
    Geoffrey nickte benommen und reichte ihm den Brief.
    Fielding pfiff laut vor Erstaunen, als er ihn las. »Aber wer –?«
    Geoffrey schüttelte den Kopf, weigerte sich noch immer, einen Laut von sich zu geben. Er hoffte, auf diese Weise kundzutun, daß er einen der Reisenden im Abteil verdächtigte. Eine offene Erörterung der Sachlage könnte, so fürchtete er irgendwie, dem Feind wertvolle Informationen übermitteln. Die anderen beäugten lustlos die gnomische Kommunikation.
    Doch Fielding entgingen derartige Feinheiten erst einmal.
    »Schnelle Arbeit«, sagte er. »Die müssen eine zweite Verteidigungslinie parat gehabt haben, für den Fall, daß die Sache im Kaufhaus schiefläuft. Die brauchten bloß jemanden hier anzurufen, während wir unterwegs waren. Sie gehen weiß Gott kein Risiko ein.«
    »Bitte vergessen Sie nicht«, sagte Geoffrey eine winzige Spur gereizt, »daß ich das Ziel in dieser Angelegenheit bin. Es ist nicht gerade angenehm für mich , mir anzuhören, wie Sie sich begeistert über deren exzellente Planung auslassen.«
    Der Einwand wurde überhört. »Und das bedeutet«, fuhr Fielding ungerührt fort, »daß die Schreibmaschine, die sie benutzt haben, irgendwo hier in der Nähe ist – verdammt, nein, das heißt es nicht unbedingt. Der zweite Brief ist so vage formuliert, daß er ohne weiteres im vorhinein hätte geschrieben werden können.« Seine falsche Schlußfolgerung stürzte ihn in tiefe Ratlosigkeit; er starrte niedergeschlagen nach unten auf seine Füße.
    Geoffrey musterte derweil die anderen Personen im Abteil. Der Mann gegenüber, der ihm so hilfreich bei Fens Schmetterlingsnetz zur Hand gegangen war, wirkte wohlhabend und gebildet. Geoffrey war geneigt, ihn als Arzt oder erfolgreichen Börsenmakler einzustufen. Er hatte ein freundliches Gesicht, aus dem ein Anflug von Schüchternheit und Melancholie sprach, wie sie bei korpulenten Männern häufig unter der Oberfläche zu schlummern scheinen, blaßgraue Augen mit schweren Lidern wie dicke Rollos aus Haut, und sehr lange Wimpern, wie bei einer Frau. Sein Anzug war aus teurem Stoff und maßgeschneidert. Er hatte ein dickes, schwarzes Buch in der Hand, einen der vier Bände, wie Geoffrey überrascht bemerkte, von Paretos Monumentalwerk Die allgemeine Soziologie . Lasen Ärzte oder Börsenmakler so etwas in der Bahn? Verstohlen betrachtete er sein Gegenüber mit neuem Interesse.
    Daneben saß die Frau mit dem Kind. Wiederholtes Durchrütteln hatte es in einen Zustand verwirrter Fassungslosigkeit versetzt, und es gab nur noch schwache und vereinzelte Kreischer von sich. Dafür hatte es angefangen zu sabbern. Seine Mutter, eine kleine Frau von leicht ungepflegter Erscheinung, obwohl nicht genau zu sagen war, woher der Eindruck rührte, wischte ihm in regelmäßigen Abständen mit einem schmuddeligen Taschentuch so kräftig und entschlossen über das Gesicht, daß ihm der Kopf fast nach hinten wegkippte; wenn sie nicht gerade damit beschäftigt war, starrte sie die anderen im Abteil mit äußerster Abneigung an. Wahrscheinlich, so dachte Geoffrey, konnte er sie von seiner Liste der Verdächtigen streichen. Das galt allerdings nicht für den Geistlichen, der in der Ecke rechts von der Frau saß. Obwohl er rank und schlank, jung und nichtssagend aussah, waren das derart typische
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher