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Heidi und die Monster

Titel: Heidi und die Monster
Autoren: Peter H. Johanna;Geißen Spyri
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grau und von Verwesung zerfressen. Sie sahen eine blühend junge Frau, anmutig in ihrem Sterbekleid. Adelheid war so schön, dass man nicht glauben mochte, was unbestreitbar war, dass sie nämlich seit Jahren tot war.
    »Sie lebt«, sagte einer.
    »Sie lebt noch«, ein Weib.
    »Sie schläft nur«, ein Greis mit weinerlicher Stimme.
    Plötzlich war hinter ihnen ein Ächzen, sie fuhren herum. Der Alte stand auf seinen Beinen, rauchend, geschwärzt und verwundet. Nun gab es keinen mehr, der ihm in den Weg trat, eine Gasse tat sich vor dem Alm-Öhi auf. Gleich war Heidi an seiner Seite und der Geißenpeter an der anderen. Der Großvater streckte die Hand aus, Peter reichte ihm den Füüschtlig. Den Pflock aber ließ sich der Öhi nicht geben.
    »Den kriegt das Heidi«, sagte er mit entschlossener Stimme.
    Unsicher bot Peter dem Mädchen das Pflöckli an. Heidi wusste, was zu tun war, um die Verdammnis eines Uuputztä abzukürzen und ihm Frieden zu schenken. Darum nahm es den Pflock beherzt entgegen. Der Öhi wurde von Peter gestützt, als er neben dem Sarg auf die Knie ging. Er wies Heidi an, es ihm gleichzutun. Der Pfarrer zauderte nicht, seines Amtes zu walten. Er hob den Arm zum großen Segen. Alle senkten die Häupter; die einen Hut trugen, nahmen ihn ab. Der Alm-Öhi ergriff Heidis Hand und ließ es den Pflock in die Mitte von Adelheids Brust setzen. Auch wenn dem Kind grimm und furchtsam zumute war, zitterte sein Händchen
nicht. Der Pfarrer sprach die lateinische Formel, die Dörfler sahen zu, wie der Verfemte, der Großvater, den sie beinahe zu Asche verbrannt hatten, mit dem Füüschtlig weit ausholte.
    Ein »Ahhh!« entrang sich den Kehlen, als der schwere Hammer auf den Pflock traf und ihn in den Busen rammte. Hier kniete Adelheids Vater, dort kniete ihr Töchterchen; beide sahen mit eigenen Augen, wie der Körper der Vampirsbraut im Nu zerfiel und die Schichten in sich zusammensanken. Es war kaum eine Minute vergangen, bis nur Staub und Gekrös übrig geblieben war und obenauf das Totenkränzchen, das Adelheid auf dem Haupte getragen hatte.
    »Jetzt ist es gut«, sagte der alte Mann.
    Lautlos, wie Adelheid in die Seligkeit eingegangen war, so lautlos verzogen sich die Dörfler. Sie hatten gerast, und sie hatten gefehlt; keins konnte dem anderen in die Augen schauen. Gleich darauf war der Friedhof leer. Der Pfarrer aber half dem Geißenpeter, den Sarg wieder in geweihten Grund hinabzusenken; gemeinsam schaufelten sie das Grab zu. Als das getan war, ergriff der Öhi den Spaten wie einen Krückstock, er und sein Enkelkind machten sich auf den Weg zurück auf die Alp.

Kapitel 3

    So als habe der Spuk der Vollmondnacht keine Spur bei dem Kind hinterlassen, spang Heidi am Morgen von seinem Lager und kletterte die Leiter hinunter. Als es den Großvater mit rußgeschwärztem Gesicht schlafend fand, erinnerte es sich des Geschehenen, aber wie man sich eines Traumes entsinnt, dessen Alb bei Tag zerstiebt. Weil die Sonne so lieblich schien, hielt es das Kind nicht im Innern, es wollte ins Freie und alles Schöne bei Licht besehen. Da setzte sich der Großvater mühsam und unter Ächzen auf.
    »Guten Morgen, Großvater«, rief Heidi.
    »Gut, dass du wohlauf bist, Kind«, murmelte er.
    »Wieso sollte mir nicht wohl sein?«, antwortete Heidi und hörte von draußen einen Pfiff, den es kannte.
    Dort wartete Peter mit seiner Ziegenschar. Sie hüpften und sprangen um ihren Beschützer herum, dass Heidi das Herz überging. Der Großvater stand auf und brachte Schwänli und Bärli aus dem Stall. Heidi lief Peter entgegen, um ihm und den Geißen guten Tag zu sagen.
    »Ziehst du hinauf?«, fragte es.

    Peter staunte, wie es nach dieser Nacht so vergnügt sein konnte.
    »Willst du mit auf die Weide?« Der Großvater stand hinter ihnen. Heidi hätte sich nichts Schöneres wünschen können.
    »Aber erst waschen und sauber sein«, sagte der Öhi und zeigte auf das Kind und zugleich auf sich selbst. »Sonst lacht uns die Sonne aus, wenn sie so schön glänzt da droben und sieht, dass wir beide ganz schwarz sind.«
    Heidi bemerkte, dass es selbst auch grau von der Asche war, darum sprang es zum Wasserzuber und patschte und rieb, bis es überall glänzte. Danach wusch sich der Alte. Auch wenn es ihn manches Stöhnen kostete, mit dem Wasser an die verbrannten Stellen zu kommen, stand er bald frisch gesäubert im Sonnenschein.
    »Komm her, Geißengeneral«, sagte er, »und bring deinen Habersack mit.«
    Peter betrat hinter dem
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