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Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)

Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)

Titel: Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)
Autoren: François Lelord
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die genauso alt war wie seine Tochter. Außerdem dachte er, dass Anne gleich auf den ersten Blick sehen würde, dass mit ihm etwas nicht stimmte. Weil seine Tochter aber in Paris viele Freunde sehen wollte und er selbst behaupten konnte, dass er beruflich sehr eingespannt war, gelang es ihm, das Willkommensmahl zu verschieben, zu dem er sie traditionell in ihr Lieblingsrestaurant einlud, einen kleinen Italiener in der Rue du Cherche-Midi.
    Er wusste, dass dieses Mittagessen mit seiner Tochter sofort tödlich für sein Verhältnis mit Ophélie sein würde, obwohl dieses auch so unvermeidlich auf sein Ende zusteuerte. Er fühlte sich wie einer von Roberts Kranken, der weiß, dass sein Ende nah ist, aber trotzdem noch auf einige Tage Aufschub hofft. Und er erriet, dass Ophélie in der gleichen Situation war, weil sie wusste, dass Claras Rückkehr das Ende ihrer Geschichte bedeutete.
    Einige Tage später, als Hector und Ophélie gerade in einem sehr schicken japanischen Restaurant zu Abend speisten, vibrierte Hectors Handy in seiner Brusttasche. Er konnte es sich nicht verkneifen, auf das Display zu schauen.
    Habe dir eine E-Mail geschickt. Bin morgen zurück.
    Das war Clara.
    »Schlechte Nachrichten …«
    »Ähm … na ja, das nicht …«
    Aber Ophélie benötigte gar keine Erklärungen; sie hatte schon verstanden, als sie Hectors Miene beim Lesen der Nachricht beobachtet hatte.
    »Also …«, begann er.
    Ophélie jedoch legte ihm den Finger auf die Lippen, sodass er den Satz nicht beenden konnte.
    Und dann sagte sie ihm mit den Worten von Bérénice:
    So werde durch uns drei zum Vorbild aller Welt
    Das allerzärtlichste und schmerzensreichste Lieben,
    Davon ein Name je und ein Bericht geblieben.
    Man ruft. – Ich bin bereit. Folgt nicht, lasst mich allein.
    Noch einmal, liebster Herr, lebt wohl.

Hector und Clara
    Hector wartete auf Clara in der Ankunftshalle vom Terminal 1 des Flughafens Charles de Gaulle.
    Er wollte sie überraschen, denn normalerweise war er um diese Zeit in der Praxis, und sie rechnete nicht damit, dass er sie abholte.
    Jedes Mal, wenn eine neue Welle von Passagieren heranbrandete, fragte er sich, ob es das Flugzeug aus New York war. Aber abgesehen von den Menschenströmen, die eindeutig aus Afrika oder Asien kamen, war es nicht zu erraten.
    Es machte Hector Spaß, die Emotionen auf den Gesichtern der Ankommenden zu studieren. Sie reichten von Furcht bis Überraschung, und Freude leuchtete auf, wenn sie einen Angehörigen erblickten, der auf sie wartete. Hector war ein Bewunderer von Darwin, der als Erster angenommen hatte, dass der Gesichtsausdruck der Emotionen auf der ganzen Welt gleich war – bei Afrikanern, Chinesen, Skandinaviern oder sogar Inuit, auch wenn es von Letzteren wahrscheinlich nur wenige unter den Passagieren gab.
    Und trotzdem litt Hector innere Qualen. Er hatte in den letzten Tagen gespürt, dass Claras Tonfall am Telefon irgendwie anders gewesen war. Ahnte sie etwas von seiner Untreue? Oder wenn sie nun selbst ein Liebesabenteuer hatte? Und Hector hatte sich Sitzungsräume ausgemalt, die voll von gut aussehenden und draufgängerischen Amerikanern waren …
    Was würde er in Claras erstem Blick lesen? Ihm war bewusst, dass er nicht nur auf sie wartete, weil er ihr eine Freude machen und sie so schnell wie möglich wiedersehen wollte, sondern auch, um ihren ersten Blick auffangen zu können, ihre spontane Emotion, wenn sie ihn zu Gesicht bekam. Er wollte daraus erraten, ob Clara ihn noch immer liebte.
    Aber noch mehr fürchtete Hector sich vor seiner eigenen Reaktion. Sollten all die mit Ophélie verbrachten Stunden nicht etwas an der Art und Weise geändert haben, wie er Clara anschaute, wie er sich am Tage und in der Nacht mit ihr fühlte? Davor hatte er Angst. Könnte ihn das Abenteuer mit Ophélie nicht endgültig aus der Spur geworfen und unfähig für das Eheleben gemacht haben?
    Und wenn er nun wie ein ehemaliger Rauschgiftabhängiger, der einen Rückfall hatte, zu einem alten Sack wurde, der penetrant junge Frauen anbaggerte – oder, schlimmer noch, zu einem tugendsamen, aber chronisch frustrierten Ehemann?
    Das hatte Clara nicht verdient.
    Warum sollten sie wieder zusammenfinden, wenn nicht, um miteinander glücklich zu sein? »Sie werden immer wieder auf Ihre Füße fallen«, hatte der alte François gesagt. Aber stimmte das auch?
    Da tauchte Clara auf, und sie sah besorgt und abgekämpft aus.
    Und dann erblickte sie Hector, und ihr ganzes Gesicht hellte
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