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Hazienda der Traeume - Julia Saisonband Bd 66

Hazienda der Traeume - Julia Saisonband Bd 66

Titel: Hazienda der Traeume - Julia Saisonband Bd 66
Autoren: Barbara Faith
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herrischen Haushälterin tyrannisiert. Gelegenheit, mit anderen Kindern zu spielen, bestand offenbar nicht. Kico war ganz allein. Merkte Rafael Vega denn nicht, wie schwierig dieses Leben für seinen Sohn war?
    Sie hüllte sich in nachdenkliches Schweigen, bis der Kaffee serviert wurde. „Haben Sie nach dem Abendessen vielleicht einen Moment Zeit für mich, Señor Vega? Ich würde gern etwas mit Ihnen besprechen.“
    „Abends arbeite ich in meinem Atelier.“
    „Es ist wichtig, und ich werde Sie nicht lange aufhalten.“
    „Kann das nicht warten?“
    „Leider nicht.“
    „Also gut.“ Er erhob sich. „Wir gehen in mein Arbeitszimmer. Du darfst dich jetzt zurückziehen, Kico.“
    Fragend sah der Junge auf, gehorchte jedoch sofort und rutschte vom Stuhl. „Buenas noches, Papa. Gute Nacht, Miss Julie.“
    „Wie wär’s mit einer Gutenachtumarmung?“ Als er zögerte, fügte Julie lächelnd hinzu: „Komm schon. Dir fällt schon kein Zacken aus der Krone.“
    Kico biss sich auf die Lippe und ging zu ihr. Sie nahm ihn in die Arme. Er war sehr angespannt und blickte über ihre Schulter ängstlich seinen Vater an.„Schlaf gut, Kico“, sagte Julie, strich ihm das Haar aus dem Gesicht und küsste ihn auf die Stirn. „Wir sehen uns morgen früh.“
    Fragend sah er sie mit seinen dunklen Augen an. Ein Beben durchfuhr den kleinen Körper. Ganz schnell schmiegte der Kleine sich an sie und lief dann davon.
    Rafael presste missbilligend die Lippen zusammen. „Gut, gehen wir in mein Arbeitszimmer.“
    Er konnte es nicht leiden, wenn Frauen die Führung übernahmen. Die meisten Mexikanerinnen wussten, wo ihr Platz war: in der Küche und im Schlafzimmer. Sie mischten sich nicht in die Angelegenheiten ihrer Ehemänner ein.
    Diese kleine Ausländerin muss noch eine Menge über mexikanische Männer lernen, dachte er mürrisch. Am liebsten würde er ihr selbst beibringen, wie eine Frau sich richtig verhielt.
    Doch das war natürlich Unsinn! Vorausgesetzt, er erlaubte ihr zu bleiben – und davon war er noch nicht überzeugt – wäre sie in drei Monaten sowieso wieder fort. Kico und er würden sie niemals wieder sehen.
    Höflich hielt er ihr die Tür zum Arbeitszimmer auf, folgte ihr und kam sofort zur Sache. „Worum geht es, Miss Fleming?“
    „Es geht um Kico. Ich bin ganz verstört.“
    „Wieso? War er ungezogen?“
    „Aber nein! Er hat großen Kummer, Señor Vega. Ihm fehlt seine Mutter. Er braucht viel Aufmerksamkeit. Und er muss spüren, dass Sie ihn lieben.“
    „Haben Sie Kinder, Miss Fleming?“
    „Nein, bisher noch nicht.“
    „Dann sollten Sie mir auch nicht vorschreiben, wie ich mit meinem Sohn umzugehen habe.“
    „Umzugehen?“ Julie musterte ihn entsetzt. „Haben Sie schon mal etwas von Liebe gehört, Señor Vega?“
    „Was erlauben Sie sich eigentlich?“ Wütend funkelte er sie an. „Ich werde wohl am besten wissen, was gut ist für den Jungen.“
    „Schicken Sie ihn deshalb fort?“
    Er kam bedrohlich näher. Gleich schlägt er mich, dachte sie entsetzt. „Das war’s, Miss Fleming. Das Gespräch ist beendet.“
    „Nicht ganz.“ So leicht ließ sie sich nicht einschüchtern. Sie reichte ihm den Umschlag.“
    „Was ist das?“
    „Eine Zeichnung, die Kico heute Morgen angefertigt hat.“
    Er nahm den Umschlag. „Ich sehe sie mir später an.“
    „Bitte werfen Sie gleich einen Blick darauf.“
    Am liebsten hätte er Julie eigenhändig hinausbefördert, doch sie blickte ihn so kämpferisch an, dass er schließlich nachgab und die Zeichnung aus dem Umschlag zog. Überrascht stellte er fest, dass sein Sohn unglaublich talentiert war. „Und?“, fragte er.
    „Ich habe Kico eine Schachtel mit Buntstiften gegeben. Er hat nur die dunklen Stifte benutzt.“
    „Kico hat einen Sturm gezeichnet, Miss Fleming. Der wird nun mal mit dunklen Farben dargestellt.“
    „Aber da ist noch das leere Boot, die hohen Wellen und die Wolken.“
    Rafael schwieg.
    „Der kleine Junge am Ufer ist Kico“, erklärte Julie schließlich. „Er … er hat keine Hände.“
    Sie hörte, wie Rafael Vega derAtem stockte.„Bitte gehen Sie“, sagte er schließlich.
    Seine Miene war völlig ausdruckslos, die Augen noch dunkler als sonst. Sie biss sich auf die Lippe und verließ leise das Zimmer.
    Wie gebannt betrachtete er die Zeichnung. „Mein Gott“, flüsterte er entsetzt und zerknüllte das Blatt. Was habe ich getan?, fragte er sich verzweifelt. Welche Schuld habe ich auf mich genommen?
    Ein ersticktes Schluchzen
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