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Hawkings neues Universum

Hawkings neues Universum

Titel: Hawkings neues Universum
Autoren: Franckh-Kosmos-Verlags-GmbH und Co. <Stuttgart>
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andere intelligente Beobachter – bezogener Selektionseffekt: Vieles ist möglich – die vielen Geschichten der Quantenphysik –, aber nur weniges wird ausgewählt, das heißt ist relevant.
    Aber so esoterisch, wie sich der Top-down-Ansatz vielleicht anhört, ist er gar nicht. Das macht ein Vergleich mit Charles Darwins Evolutionstheorie deutlich: Auch sie erlaubt nicht die Vorhersage – die ja zeitlich gesehen eine Nachhersage wäre –, dass sich die Spezies Mensch mit großer Wahrscheinlichkeit auf der Erde entwickelt haben muss, sondern gibt eine evolutionsbiologische Erklärung für diese zur Tatsache gewordene Existenz. Der Top-down-Ansatz steckt also nicht einfach das ins Modell hinein, was er am Ende wieder herausbekommen möchte, sondern formuliert eine theoretische, auf Beobachtungen beruhende Einschränkung, die die kosmologische Modellbildung vereinfacht oder, wie Hawking vielleicht eher sagen würde, überhaupt erst ermöglicht.
    Erst kürzlich hat Hawking sogar zwei für ihn anthropozentrische Interpretationen des Anthropischen Prinzips kritisiert: Zum einen das „Prinzip der Mittelmäßigkeit“ seines Kollegen Alexander Vilenkin, der mit der Annahme, wir seien typische Beobachter, kosmologische Parameter zu erklären versucht. Hawking: „Das wäre, als müsste ich sagen, dass ich ein Chinese bin, weil es viel mehr Chinesen als Briten gibt.“ Zum anderen die Vorstellung, unser Weltall wäre das lebensfreundlichste aller möglichen Universen: „Wir hätten einen besseren Ort haben können.“
    Damit aber nicht genug. Auch wenn der Top-down-Ansatz seinen Blick von „oben“ – aus der Perspektive unserer Gegenwart – hinab in die Tiefe der Zeit bis zum Urknall richtet, bleibt doch das Rätsel des Anfangs selbst bestehen. In den letzten Monaten haben Hawking, Hartle und Hertog lange daran gearbeitet, den Top-Down-Ansatz mit dem Keine-Grenzen-Vorschlag zusammenzubringen – mit Erfolg.
Hawkings neues Universum
    Stephen Hawkings Keine-Grenzen-Vorschlag war ein konzeptueller Durchbruch und wurde von vielen Forschern aufgegriffen. Aber er hatte auch einige Schwächen:
Zum einen gibt es noch keine durch Beobachtungen bestätigte Theorie der Quantengravitation. Hawkings Vorschlag beruht daher auf einigen spekulativen Annahmen. Doch das gilt auch für alle konkurrierenden Modelle.
Zum anderen passen die inzwischen gemessenen kosmologischen Parameter nicht mehr zu dem ursprünglichen Modell von Anfang der 1980er-Jahre. Dieses ging von einer aus heutiger Sicht zu hohen Materiedichte aus und hat auch die ominöse Dunkle Energie nicht berücksichtigt, die gegenwärtig für eine beschleunigte Ausdehnung des Weltraums sorgt. Die Indizien dafür haben Astronomen erst 1998 entdeckt. Sie machten auch das Modell von Hawking und Turok aus demselben Jahr obsolet, das von einem offenen Universum ausging.
Eine dritte Schwierigkeit war, dass Hawkings ursprüngliches Modell nicht gut zum Szenario der Kosmischen Inflation passte, das damals gerade entwickelt worden war. Obwohl nicht ganz unumstritten, sind die meisten Forscher – auch Hawking und seine Mitarbeiter – davon überzeugt, dass eine solche Inflation unser Universum erst groß gemacht hat. Doch das Keine-Grenzen-Modell sagte (im Gegensatz zum konkurrierenden Tunnel-Modell von Alex Vilenkin) voraus, dass der wahrscheinlichste Anfangspunkt ein Universum mit der kleinstmöglichen Vakuumenergie und der größtmöglichen Ausdehnung sei. „Dass ein unendlich großer, leerer und flacher Raum am wahrscheinlichsten aus dem Nichts entstanden sein soll, kann ich kaum glauben“, kritisierte Vilenkin mehrfach.
     
    Diese Probleme ließen Hawking keine Ruhe. Immer wieder griff er sie mit verschiedenen Kollegen auf. Vor einigen Jahren kam ihm dann die Idee, die „kurze Geschichte der Zeit“ mit einem neuen methodischen Ansatz zu (be)schreiben – oder alle Geschichten. Und diesen Top-down-Ansatz verbinden Hawking, Hartle und Hertog seit Neuestem mit dem Keine-Grenzen-Vorschlag. Ein Vorteil ihres aktuellen Modells besteht darin, das Szenario der Inflation zu integrieren. Und die ominöse Dunkle Energie findet im Modell ebenso einen Platz. Sie wird einfach als zusätzliches Skalarfeld beschrieben, wie es auch viele andere Forscher tun.
    Trio H 3 : Die Kosmologen James B. Hartle, Stephen Hawking und Thomas Hertog (von links) arbeiten schon seit vielen Jahren zusammen. Nun haben sie ein Urknall-Modell entwickelt, bei dem unser Universum ein Vorläufer-Universum mit
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