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Havoc - Verwüstung - Thriller

Havoc - Verwüstung - Thriller

Titel: Havoc - Verwüstung - Thriller
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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seinen Kopf strich, konnte er spüren, wie sich schon wieder einzelne Haare lösten und in den Zacken seiner brüchigen Fingernägel hängen blieben. Die Haut seines Gesichts war faltig und schlaff, als gehörte sie ursprünglich zu einem größeren Schädel. Sein Bart war einst sein ganzer Stolz gewesen, ein seltenes Paradebeispiel für aufwendig gepflegte Gesichtsbehaarung. Jetzt jedoch erinnerte er in seiner Zerzaustheit nur noch an ein Huhn in der Mauser.
    Er entblößte seine Zähne im Spiegel, seine Mimik schien eher eine Grimasse als ein Lächeln zu sein. Das Zahnfleisch war wund und gerötet. Er nahm an, dass es blutete, weil er eigentlich schon seit dem Verlassen seiner Wohnung in New
Jersey keine anständige Mahlzeit mehr zu sich genommen hatte.
    Auch sein Körper hatte einen hohen Preis bezahlt. Während er nie eine besonders kräftige Erscheinung gewesen war, hatte er jetzt aber so viel Gewicht verloren, dass er spüren konnte, wie sich die scharfen Enden seiner Knochen jedes Mal, wenn er sich bewegte, in seine Haut bohrten. Die Hände zitterten beständig, und sein Kopf schwankte hin und her, als wäre er für die verkümmerten Muskeln seines Halses zu einer unerträglichen Last geworden.
    Die aufgeregte Stimme eines jungen Mädchens drang durch die dünne Kabinentür. »Beeil dich, Walter! Wir kommen nach New York City! Ich will einen guten Platz auf dem Aussichtsdeck!«
    Das wurde auch Zeit, dachte der Mann. Er sah auf seine Armbanduhr. Drei Uhr am Nachmittag. Sie hätten schon vor neun Stunden ankommen sollen.
    Gegen sein besseres Wissen entschied er sich, die Kabine zu verlassen. Er musste sich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass er fast schon zu Hause war. Dann würde er in seine kleine Kabine zurückkehren und warten, bis das Luftschiff landete.
    Er stolperte zur Tür. Im schmalen Korridor wartete ein Mädchen von vielleicht zwölf Jahren darauf, dass sich ihr Bruder seine Schuhe zuband. Sie atmete heftig ein, als sie ihn sah, eine unwillkürliche Reaktion, die ihre Lungen füllte und das Blut aus ihrem Gesicht weichen ließ. Ohne ihren erschreckten Blick von seiner seltsamen Erscheinung zu lösen, griff sie nach der Schulter ihres Bruders und zerrte ihn hinter sich her. Der Protest des Jungen erstarb in dem Augenblick auf seinen Lippen, als er den offensichtlich geistesgestörten Passagier entdeckte. Sie rannten um die Ecke in
Richtung Promenadendeck, wobei der Rock des Mädchens um ihre fohlenhaften Knie flatterte.
    Bei dieser harmlosen Begegnung verkrampfte sich der Magen des Passagiers protestierend. Ein saures Brennen stieg in seiner Speiseröhre hoch und drang bis in seinen Mund. Mühsam unterdrückte er ein Würgen, schloss die Kabinentür und machte sich auf den Weg zur Steuerbordtreppe. Ein paar dienstfreie Besatzungsmitglieder und ein einsamer Passagier drückten sich gegen das Aussichtsfenster auf dem B-Deck. Hinter ihnen befand sich die Mannschaftstoilette, und gerade als er das Fenster erreichte, kam ein Schiffsoffizier heraus, begleitet von einem unerträglichen Gestank. Es roch allerdings nicht viel schlimmer - oder vielleicht sogar ein wenig besser - als er selbst. Seit seiner Flucht aus Kairo hatte er weder seine Kleider gewaschen noch ein Bad genommen.
    Als er die Hände auf das Fensterbrett stützte, konnte er das leichte Vibrieren der Motoren durch das Metall hindurch spüren. Er presste das Gesicht gegen die Glasscheibe und beobachtete, wie sich die eindrucksvolle Silhouette Manhattans aus dem Gewoge der dunklen Sturmwolken schälte. Die Schifffahrtslinie brüstete sich mit ihrem hohem Sicherheitsstandard, und während sich die Stadt langsam in sein Blickfeld schob und es zunehmend ausfüllte, ließ er zu, dass der Anflug eines Lächelns seine Mundwinkel kräuselte. Wie angekündigt war der Flug von Deutschland aus ereignislos verlaufen, und bald würde das Flaggschiff der Deutschen-Zeppelin-Reederei sanft auf seinen Ankermast in Lakehurst, New Jersey zuschweben.
    Die Wolkendecke riss auf, strahlender Sonnenschein drang durch das Wolkenloch und erzeugte eine goldene Korona um das riesige Luftschiff Hindenburg. Sein Schatten glitt wie ein
schwarzer Fleck über die künstlichen Schluchten von Midtown und verdunkelte das ganze Gelände bis auf das alles überragende Empire State Building. Der gigantische Zeppelin, größer als die meisten Ozeandampfer und viermal so schnell, hatte die Atlantiküberquerung in wenig mehr als drei Tagen geschafft, angetrieben von vier
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