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Havelgeister (German Edition)

Havelgeister (German Edition)

Titel: Havelgeister (German Edition)
Autoren: Jean Wiersch
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sich an meine Mutter, die ja Kontakte zur UCK hatte und die fand dann eine Lösung.«
    »Sie wollen mir jetzt nicht erklären, dass …«, platzte der LKA-Direktor heraus.
    »Doch«, sagte Manzetti und blieb dabei völlig ruhig. »Es sind die Organe von serbischen Gefangenen. Wir haben vorhin mit der ehemaligen Haushälterin von Frieda Boll gesprochen, einer gewissen Antoneta Bajramaj.«
    »Übrigens auch eine Geisterflüsterin. Von ihr hat Frieda Boll den Tipp mit den Quittensamen«, warf Bremer ein, der viel Spaß an diesen Geistersachen hatte.
    »Sie hat das also bestätigt«, setzte Manzetti schließlich fort. »Die Namen der serbischen Zwillinge waren Stanko und Todor Bartovic. Deshalb vermutlich die Initialen S.B. für Stanko Bartovic auf dem Stein in der Brust von Nepomuk Böttger. Aber genau wissen wir das eben noch nicht.«
    »Und was hat das alles mit Kriminaldirektor Ludwig zu tun?«, wagte der LKA-Direktor einen vermutlich letzten Verteidigungsschlag für seinen Abteilungsleiter.
    »Ludwig, Böttger und der heutige Gesundheitsstaatssekretär waren zur gleichen Zeit im Kosovoeinsatz. Sie waren …«, Manzetti strich sich auf der Suche nach der richtigen Vokabel über die Nase, »… sie haben Thomas Böttger wegen der Herztransplantationen erpresst. Er sollte die Firma seines Vaters übernehmen, über die sie zusammen mit ihren UCK-Leuten die Gelder aus dem Organ-, Waffen- und Drogenhandel zu waschen gedachten. Böttger konnte nicht anders. Er musste mitmachen.«
    »Aber das hieße ja, dass deutsche Soldaten in dubiose Machenschaften …«
    »Nein«, fiel Manzetti dem Generalstaatsanwalt ins Wort. »Bitte verzeihen Sie, aber das heißt lediglich, dass eine Handvoll deutscher Bundeswehrleute und Polizisten sowie eine Handvoll UCK-Leute dreckige Geschäfte gemacht haben. Der Anführer dieser Bande ist ein gewisser Iwan Krasniqi.«
    »Gut«, sagte der Generalstaatsanwalt. »Und der Codex?«
    Es folgte allgemeines Schulterzucken. »Das haben wir noch nicht herausgefunden«, musste Bremer zugeben. »Vielleicht bringt uns ja die Kleine weiter. Sie müsste bald in der deutschen Botschaft sein. Wenn nicht wieder …« Sein Blick traf den Direktor des LKA.
    »Auch Ludwig ist ein Einzelfall, Herr Bremer. Die Frau wird von Zielfahndern meiner Behörde abgeholt, und die stehen unter meinem persönlichen Kommando.«
    »Aber wie ist das nun alles aufgeflogen?«, riss der Generalstaatsanwalt die Debatte wieder an sich.
    »Durch die hohe Literatur«, sagte Manzetti und lehnte sich zurück. Sein Notizblock war auf der letzten Seite angekommen. »Ich habe mich an ein Goethezitat in Bremers Sektionssaal erinnert. Das lautet: Es gibt viele Menschen, die sich einbilden, was sie erfahren, verstünden sie auch. Und ich habe irgendwann aufgehört, das Erfahrene verstehen zu wollen. Wir haben uns ab diesem Zeitpunkt nur noch darauf konzentriert, Fakten zu sammeln. Völlig willkürlich und losgelöst voneinander. Und irgendwann machte es dann Bing.«
    »Könnten Sie das bitte etwas näher erläutern?«, fragte wieder der Generalstaatsanwalt.
    »Weil wir nicht nacheinander, sondern kreuz und quer und ziemlich unsortiert jeder das gemacht haben, was wir für richtig hielten, hatten wir plötzlich ein Bild, in dessen Zentrum Frieda Boll stand. Und die hat uns mit einem zweiten Brief alles erklärt. Wir bekamen ihn von einem Anwalt, der das Schriftstück an die Polizei geben sollte, falls ihr etwas zustößt. Demnach brauchte Nepomuk ein neues Herz, weil der Körper begann, das alte Spenderherz abzustoßen. Thomas Böttger, der Nepomuk nach dessen Geburt zu sich genommen hatte, während Kevin bei der Mutter geblieben war, bekam kalte Füße und vertraute sich seinem Kompagnon Ludwig an. Der wiederum setzte sich mit Krasniqi ins Benehmen, und der ordnete an, Böttger aus dem Weg zu räumen, und zwar so, dass alle Schuld an den gemeinsamen Unternehmungen auf den deutschen Unternehmer fiele. Aber das ist nicht gelungen.«
    »Ich verstehe. Bleibt also nur noch der Diebstahl des Codex Sinaiticus zu klären, dann ist die Geschichte rund.«
    Manzetti nickte bestätigend.
    »Gut, meine Herren«, erklärte der Generalstaatsanwalt und faltete die Hände zusammen. »Dann werde ich jetzt einen Haftbefehl gegen Kriminalrat Ludwig beantragen, und Sie beginnen ab sofort mit der Fahndung nach diesem Herrn. Und fahren Sie vorsorglich beim Gesundheitsstaatssekretär vorbei, um ihm mitzuteilen, dass er ab sofort unter Hausarrest steht.«

53
    Manzetti
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