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Haushaltsschnecken leben länger

Haushaltsschnecken leben länger

Titel: Haushaltsschnecken leben länger
Autoren: Christine Nöstlinger
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in seine Taschentücher schneuzen. Und plötzlich dreht der »Alte« durch, weil eines seiner Kinder in seinem Bademantel beim Frühstück sitzt!
    »Anal fixierter Geizhals«, murmelt das Kind, zieht den Bademantel aus, überreicht ihn dem Vater und will noch ein paar sarkastische, psychologisch gefärbte Bemerkungen
    anbringen, doch die bleiben ihm im Halse stecken, denn
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    entsetzten Auges gewahrt es, daß sich eines seiner Geschwister mit seinem Lieblings-T-Shirt bekleidet hat.
    »Zieh mein Leiberl aus, aber sofort!« brüllt das Kind, und wenn es dafür nicht schon zu groß wäre, würde es heulen vor Wut, weil sich der Leiberlräuber bloß an die Stirn tippt und hurtig die Wohnung verläßt.
    Am ärgsten aber sind die Umwidmungen, die
    Familienmitglieder vornehmen.
    »Wo ist meine schwarze Tasche? Wer hat meine schwarze
    Tasche gesehen?« klagt die Tochter.
    Nur sehr abgeklärte Mütter helfen der Tochter dann die schwarze Tasche suchen, ohne anzumerken, daß die schwarze Tasche eigentlich und in Wirklichkeit der Mutter Tasche ist.
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    Hände weg vom Staubsauger
    Frau A. hat vor etlichen Wochen in der Zeitung gelesen, daß zuviel Staubsaugen der Gesund heit schade, weil beim Saugen Feinstaub mit Pilzsporen, Bakterien und allergieerzeugenden Stoffen in die Luft geblasen werde und dann beim Einatmen in die Lunge wandere.
    Frau A. wollte das nicht glauben und fragte ihren Arzt. Der bestätigte es und sagte ihr, in vielen Krankenhäusern sei man schon davon abgekommen, Staubsauger zu verwenden, denn häufiges Staubsaugen belaste den Organismus ähnlich schwer wie starkes Rauchen.
    Nun glaubt Frau A. die gelesene Botschaft. Trotzdem holte sie tagtäglich den Staubsauger aus dem Schrank und saugte längs und quer durch die Wohnung. Sie konnte nicht anders! Sie mußte! Sie verfiel der Depression, wenn sie auch nur einen Tag nicht saugte.
    Herr A. und die Kinder A. seufzten und grinsten - je nach ihrer momentanen Laune - und sagten, da könne man nichts machen, die gute Frau habe halt den Putzfimmel!
    Frau A. selbst war ratlos. Bis zur Lektüre des Zeitungsartikels hatte sie den Putzfimmelvorwürfen Hygiene-Argumente
    entgegengehalten und erklären können, sie putze ausschließlich im Dienste an der Familie, um diese vor Krankheiten zu schützen, die aus dem »Dreck« kommen können. Nun sah sie ihre Argumente durchlöchert wie Emmentaler.
    Und es war ja nicht nur der Staubsauger! Machte sich Frau A.
    mit einer Spraydose hurtig über einen Schmutzfleck her, belehrte sie der Sohn über »Treibgas und Ozongürtel«. Wischte sie mit einem Säftlein den Tisch strahlend, hüstelte die Tochter provokant, japste nach Luft und röchelte: »Pfui, Chemie!« Und Herr A. behauptete, der Juckreiz, den er auf dem Popo verspüre,
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    komme sicher von Rückständen im wöchentlich einmal
    gewaschenen Bettzeug!
    Frau A. kam so weit, daß sie selbst ihre Vorstellungen von Sauberkeit als Zwangsvorstellungen begriff. Jetzt hält sie sich zurück. Sogar ihren Liebling, den Staubsauger, greift sie kaum mehr an. Aber manchmal, in einer stillen Gasse, da kann man Frau A. zu einem dreckigen Auto hinwieseln sehen. Verstohlen schaut sie sich dann um und schreibt mit dem Zeigefinger SAU
    in die Staubschicht. Das erleichtert sie ungemein!
    Warum das so ist, weiß sie nicht. Aber darauf kommt es ja auch nicht an. Hauptsache, sie fühlt sich hinterher etwas wohler.
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    Speisekammer oder Tiefkühltruhe
    Vor vielen, vielen Jahren las ich >Schau heimwärts, Engel !< von Thomas Wolfe und war nicht nur ganz allgemein von
    diesem Buch beeindruckt, sondern ganz speziell von zwei Buchseiten, auf denen der Autor detailliert eine prächtig gefüllte Speisekammer beschreibt.
    Immer wieder, im Laufe der Jahre, weit öfter als an literarisch viel Packenderes, erinnere ich mich dieser Speisekammer; was mich in der Einsicht bestärkt, daß ich ein »Hamstergemüt« habe.
    Seit sich zu diesem Gemüt auch ein Haus gesellt hat, habe ich auch eine Speisekammer. Ich liebe sie ungemein, mein
    zufriedener Blick schweift oft über ihre Regale.
    Seit ich diese Speisekammer habe, koche ich nicht mehr nach dem Bedarf meines Haushaltes Marillen ein, sondern dem Fassungsraum der »Speis« gemäß. Manchmal kaufe ich auch eine besonders hübsche Dose, obwohl ich kein gesteigertes Interesse an ihrem Inhalt habe. Als Speisekammerzierstück leiste ich sie mir.
    Aber die echte Vorratshaltung im 20. Jahrhundert geschieht leider in der Kühltruhe, und ich gestehe, so
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