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Haus Ohne Hüter

Haus Ohne Hüter

Titel: Haus Ohne Hüter
Autoren: Heinrich Böl
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alt
    und erfahren vor, weise und müde Ȭ und er genoß Wills Freundlichkeit, wie er die Freundlichkeit eines Babys genoß, die Zärtlichkeiten seiner kleinen Schwester, die so schnell wuchs. Er betreute sie, er gab ihr die Flasche, wärmte den Brei, denn nachmittags war die Mutter weg, und Leo weigerte sich, etwas für das Kind zu tun. »Ich bin doch keine Amme.« Später badete Heinrich Wilma sogar, setzte sie aufs Töpfchen und nahm sie mit, wenn er einkaufen ging und abends die Mutter von der Bäckerei abholte.
    Ganz anders als Will war Martins Onkel Albert: Das war ein Mann, der wußte, wie es mit dem Geld war. Ein Mann, der, obwohl er Geld hatte, wußte, wie schrecklich es ist, wenn das Brot teurer wird und die Margarine aufschlägt, ein Onkel, den er sich gewünscht hätte: kein Vereinigungsonkel und kein Onkel Will, der ja höchstens zum Spielen, zum Spazierengehen gut war. Will war gut, aber mit Will konnte man nicht reden , während man mit
    Er ging aus verschiedenen Gründen gern dorthin; hauptsächlich wegen Onkel
    Albert, erst an zweiter Stelle kam Martin, der, was das Geld anbetraf, wie Onkel Will war. Auch die Oma hatte er gern, obwohl sie verrückt war. Auch wegen des Fußballs ging er hin und wegen der Sachen im Eisschrank, und es war so praktisch, Wilma im Kinderwagen in den Garten zu stellen, Fußball zu spielen und stundenlang von Onkel Leo befreit zu sein. Schrecklich war nur zu sehen, wie dort mit dem Geld umgegangen wurde: Er bekam alles dort, und sie waren nett zu ihm, und es lag nicht nur am Geld, daß er das dunkle Gefühl hatte, es würde eines Tages schlimm kommen. Es gab Dinge, die nicht mit dem Geld zusammenhingen: etwa der Unterschied zwischen Onkel Leo und Onkel Albert, und es war der Unterschied zwischen Martins Schock über das Wort, das die Mutter zum Bäcker gesagt hatte Ȭ und seinem nicht sehr heftigen Schrecken, von seiner Mutter zum ersten Mal ein Wort zu hören, das er bisher nur von Onkel Leo und einer Schaffnerin gehört hatte. Er fand das Wort häßlich, und er hörte es nicht gern, aber so erschrocken war er nicht darüber, wie Martin gewesen war. Da waren die Unterschiede, die nur zum Teil mit Geld zusammenhingen. Unterschiede, von denen nur Onkel Albert wußte, der genau begriff, daß er nicht zu gut zu ihm sein durfte.

3
    Sie spürte schon seit einigen Minuten, daß jemand sie von hinten anstarrte mit der Beharrlichkeit des sieghaften Typs, der sicher war, erhört zu werden. Es gab Unterschiede; sie konnte sogar spüren, wenn jemand sie von hinten mit den schmerzlichen Augen des schüchternen Verehrers ansah. Aber dieser hier war seiner selbst sicher, ein Blick ohne Melancholie, und sie beschäftigte sich eine halbe Minute lang damit, ihn sich vorzustellen: dunkel, elegant, ein wenig angesnobt; vielleicht hatte er eine Wette abgeschlossen: »10 : 1, daß ich in drei Wochen mit ihr gepennt habe.«
    Sie war müde, und es kostete sie keine Überwindung, den unbekannten Anbeter völlig zu ignorieren, denn sie freute sich auf das Wochenende mit Albert und dem Jungen draußen bei Alberts Mutter. Es war schon herbstlich, und es würden wenig Gäste da sein. Allein Albert zuzuhören, wenn Glum, Will und Albert sich
    über Köder unterhielten, war wunderbar, und sie würde Bücher mitnehmen
    und lesen, während die Kinder Fußball spielten, Martin und sein Schulfreund, und vielleicht würde sie sich überreden lassen, mit Glum angeln zu gehen, sich alles erklären zu lassen, Köder und Techniken, die verschiedenen Angeln und die große, übergroße Geduld. Sie spürte den Blick weiterhin und erfuhr zugleich wieder einmal die einschläfernde Wirkung von Schurbigels Stimme: Wo immer ein Referat über irgend etwas Kulturelles gehalten werden mußte, Schurbigel hielt es. Sie haßte ihn und bereute die flaue Höflichkeit, die sie veranlaßt hatte, die Einladung anzunehmen. Es wäre schöner gewesen, mit Martin ins Kino zu gehen, später Eis zu essen, dann beim Kaffee die Abendzeitung zu lesen, während Martin sich damit amüsierte, Schallplatten auszuwählen, die das Mädchen in der Eisdiele bereitwillig für ihn auflegte. Jetzt aber hatten schon ein paar Bekannte sie entdeckt, und es würde unweigerlich wieder ein verkorkster Abend werden, schnell zurechtgemachte Schnittchen, entkorkte Flaschen, Kaffee Ȭ »Oder mögen Sie lieber Tee?« Ȭ , Zigaretten und Alberts büffeliges Gesicht, wenn er sich mit ihren Besuchern unterhalten und über ihren Mann Auskunft geben mußte.
    Es war
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