Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haus des Schreckens

Haus des Schreckens

Titel: Haus des Schreckens
Autoren: Marco Sonnleitner
Vom Netzwerk:
nickte. Unendlich langsam. »Krimispiel … Ich erinnere mich. Ich erinnere mich …« Der Blick klarte auf. Grauen lag in ihm. Unsagbares Grauen. »… an alles.«
    Justus sah die anderen an. Ängstliche Erwartung stand in ihren Gesichtern. Was würden sie jetzt zu hören bekommen? Was hatte Scavenger erlebt?
    »Sie wissen, was geschehen ist?«, fragte Justus noch einmal nach.
    Scavenger richtete sich langsam auf und stellte das Glas ab. Allmählich kehrte Leben in ihn zurück. »Das wäre zu viel gesagt.« Ein Stöhnen, das ein Lachen sein sollte, halb bitter, halb irr. »Ich kann mich an einiges erinnern, aber was wirklich geschehen ist, werde ich wohl nie verstehen.« Einige Sekunden blieb es still, dann sprach er weiter: »Es war … die Hölle. Ich bin«, er korrigierte sich, »ich war ein bodenständiger, realistischer Mensch. Bis heute Nacht.« Wieder verstrichen ein paar Augenblicke. Scavenger starrte vor sich hin, schüttelte einmal leicht den Kopf, schloss die Augen und öffnete sie wieder. »Ich war gerade in meinem Zimmer und wollte mich etwas frisch machen, bevor es losgehen sollte. Plötzlich spürte ich einen kalten Luftzug, so als hätte jemand das Fenster geöffnet. Ich drehte mich um, aber das Fenster war zu. Trotzdem wurde es immer kälter, ich konnte sogar meinen Atem sehen. Dann hörte ich Schritte. Sie schienen«, Scavenger stockte, »aus der Wand zu kommen. Genauer gesagt aus einem Bild, das dort hing. Ich dachte erst, das wäre wieder so ein Effekt, so ein Gag, und ging neugierig näher heran. Aber als ich dann vor der Wand stand, erfassten mich bleiche Finger und zogen mich durch das Bild. Ich schrie noch, und dann verlor ich das Bewusstsein.«
    Im Raum hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Stumm vor Entsetzen sahen alle Scavenger an. Nur Justus hatte sich einigermaßen unter Kontrolle und ließ ein paar Denkfalten auf seiner Stirn sehen.
    »Etwas später kam ich wieder zu mir«, fuhr Scavenger leise fort. »Es war dunkel um mich herum und immer noch sehr kalt. Meine Hände waren auf den Rücken gefesselt, und auf meinem Mund klebte ein breites Band. Ich war in irgendeinem Gang. Und etwas oder jemand hielt mich fest, schubste mich vor sich her. Ich schaute mich um, so gut es ging, konnte aber nur einen großen, schwarzen Schatten erkennen und diese Totenfinger auf meinem Arm.« Er hob den Blick und sah die anderen aus gequälten Augen an. »Ansonsten waren da noch rasselnde Atemgeräusche. Und ab und zu ein Kichern.«
    »Das Kichern!«, fiel Shawne ein. »Das haben wir auch gehört!«
    Scavenger nickte. »Ich versuchte mich zu wehren, wand mich nach Kräften, aber es war völlig sinnlos. Wer auch immer mich da durch das Haus trieb, er hatte ungeheure Kräfte. Doch wer war das? Wer hatte mich gekidnappt? Und warum? Ich zermarterte mir das Hirn, hatte jedoch nicht den Hauch einer Idee. Und dann«, Scavenger fuhr sich mit dem Handrücken über die schweißnasse Stirn, »erfuhr ich, in wessen Gewalt ich mich befand. Er sprach zu mir.«
    »Der Geist sprach zu Ihnen?«, platzte es aus Nolan heraus.
    »Ja. Aber es war eigentlich weniger ein Sprechen. Es war eine Art Selbstgespräch, bei dem ich zuhören konnte. Ein albernes, gut gelauntes Dahingeplapper. Jedenfalls konnte ich dem entnehmen, dass irgendein Vorfahre von mir, ich glaube, er hieß Hugh oder Howard, einst mit einem Marriott-Gewehr jemanden erschossen hat und dass es der Geist dieses Ermordeten war, der sich nun an mir rächen wollte.«
    Mrs Parsley holte tief Luft. »Wie ich es gesagt habe!«
    »Unglaublich!«, stieß auch ihr Mann hervor.
    Scavenger nahm sich eine kurze Auszeit, die die anderen dazu nutzten, aufgeregt miteinander zu diskutieren. Auch Peter redete sofort auf Bob und Justus ein, aber der Erste Detektiv hörte ihm kaum zu. Er dachte nach.
    Scavenger trank einen Schluck, straffte sich und setzte seinen Bericht fort. »Ich weigerte mich, das alles zu glauben. Es war unmöglich! Ich zwickte mich, um zu überprüfen, ob ich nicht mitten in einem bösen Alptraum war. Aber nichts änderte sich. Immer noch sträubte sich alles in mir. Ich sollte der Gefangene eines Marriott-Geistes sein? Eines Geistes, den ich spüren und dessen Gestalt ich sehen konnte? Der mich fesselte und knebelte? War die Legende wahr?« Scavenger zuckte resigniert mit den Achseln. »Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts.« Einige Augenblicke vergingen. »Ich überlegte, was ich tun sollte. Und was mit mir geschehen würde. Ich redete sogar
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher