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Haus des Glücks

Haus des Glücks

Titel: Haus des Glücks
Autoren: Yvonne Winkler
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standen Marco und Julia am Flughafen und gaben ihre Koffer auf. Ajona hatte sie hergefahren. Erst jetzt wurde das Ausmaß der Zerstörung sichtbar. Der Tsunami hatte an der Südküste ganze Dörfer verschlungen, einhundertzwanzig Tote waren zu beklagen. Und immer wieder dachte Julia daran, dass nicht viel gefehlt hätte, und David wäre einer von ihnen gewesen. Oder Marco. Oder sie selbst.
    Wegen der schlechten Straßenverhältnisse brauchten sie für die Strecke vom Hotel zum Flughafen mehr Zeit als geplant. Die Aufräumarbeiten hatten zwar überall begonnen, kamen jedoch stellenweise nur schleppend voran. Deshalb hatten sie sich von Ajona nur hastig auf dem Parkplatz verabschiedet.
    »Wie lange dauert es noch bis zum Aufruf?«
    Marco sah auf seine Uhr. »Fünf Minuten«, sagte er. »Wir können schon zum Gate gehen.«
    Julia nahm ihre Tasche.
    Marco legte ihr einen Arm um die Schulter. »Was ist mit dir?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Bist du traurig, weil wir wegfahren?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Möglich. Ich freue mich auf zu Hause, auf die Kinder. Aber …«
    Marco sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Kann es sein, dass dein Bild vom Paradies einen Riss bekommen hat?« Marco lächelte. »David geht es gut.«
    Marco hatte recht. Sie hatten ihn noch gestern Abend im Krankenhaus besucht. Er war immer noch blass, eine kleine Wunde über der Augenbraue war genäht worden, sein Arm war erfolgreich operiert. Er konnte sogar wieder lachen. Aber wenn sie an das Atemgerät dachte, das in der Ecke des Zimmers stand und das sie zuerst für eine zerknautschte Plastiktüte gehalten hatte, wurde ihr übel. Welche Kräfte hatten auf die Pressluftflaschen einwirken müssen, um sie derart zu verformen? Es war ein Wunder, dass David überlebt hatte.
    Sie nahmen auf den Wartestühlen Platz.
    »Du warst gestern Abend lange mit ihm allein.« Julia spürte, dass sie rot wurde. »Habt ihr auch über mich gesprochen?«
    »Nur am Anfang ein bisschen.«
    »Nur ein bisschen?«
    »Ja.«
    »Fast eine Stunde lang?«
    »Glaubst du, dass Männer keine anderen Themen finden?«
    »Worüber habt ihr euch denn unterhalten?«
    »Über die Arbeit – über seine und über meine und über dies und das. Ich wusste nicht, dass er auch ursprünglich in einer Bank gearbeitet hat.« Marco schlug die Zeitung auf.
    »Und was habt ihr über mich gesprochen?«
    »Nichts Besonderes.« Marco blätterte um. Aber sie wusste genau, dass er sie damit nur ärgern wollte. »Wenigstens nichts, was ich nicht schon gewusst hätte.«
    »Und das wäre?«
    Er faltete die Zeitung zusammen und sah sie an. »Dass du eine zwar neugierige, aber dennoch wunderbare Frau bist. Und dass ich Glück habe, mit dir verheiratet zu sein. Du hattest übrigens recht.«
    »Womit?«
    »David ist ein grundanständiger Kerl. Weißt du, dass er mich um Verzeihung gebeten hat?«
    »Woher soll ich denn das wissen?«
    »Er sagte, es wäre seine Schuld, dass ein völlig falscher Eindruck entstanden sei. Und er hat mir versichert, dass zwischen euch nichts gewesen sei. Es ging immer nur ums Tauchen.« Marco schüttelte den Kopf. »
Don’t judge a book by its cover.
So heißt es doch, nicht wahr? Was denkst du? Ich glaube, ich sollte mehr Sport treiben. Ich habe mich mal genauer im Spiegel betrachtet. Ich muss zugeben, dass ich nicht gerade konkurrenzfähig bin.«
    Julia lächelte. »Das ist doch nicht wichtig. Ich liebe dich genau so, wie du bist.«
    »Süß, wie du das sagst. Wiederhole es bitte.«
    »Warum?«
    »Weil ich es gern höre.«
    »Na gut. Ich liebe dich genau so, wie du bist.«
    »Da trifft es sich gut, dass wir verheiratet sind. Ich dich nämlich auch.«

30
    27 . Oktober 2009
    D ienstag, Omatag. Julia saß wieder auf Oma Lottes Veranda. Auf der Elbe waren zahlreiche Schiffe unterwegs. Wenn sie Glück hatte, würde sie auch noch die
Queen Mary II
sehen können, die im Laufe des Tages im Hamburger Hafen erwartet wurde. Kaum zu glauben, dass sie vor nicht einmal einem Monat auf Samoa gewesen war, dass der Tsunami genau vor vier Wochen über die Insel hinweggerollt war.
Das Paradies hatte Risse bekommen.
Ihr kam die Zeit fast wie ein ganzes Leben vor.
    »Hier, min Deern, frische Mandelhörnchen. Die magst du doch so gern.«
    Oma Lotte stellte einen kleinen Teller mit köstlich duftenden Hörnchen auf den Tisch. Julia nahm sich eines und biss hinein. Es waren echte Mandelhörnchen mit Marzipan anstatt des sonst üblichen billigen Marzipanersatzes.
    »So, und jetzt musst
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