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Haus der Sonne

Haus der Sonne

Titel: Haus der Sonne
Autoren: Nigel Findley
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schrillen durchdringenden Schrei, der nicht enden wollte...
    Und plötzlich war ich wach, mein Puls hämmerte mir einen wahnsinnigen Rhythmus ins Ohr, und meine Brust arbeitete wie ein Blasebalg. Mein ganzer Körper kribbelte, von den Zehen- bis zu den Haarspitzen, als hätte jemand versucht, mich in einem Niedervolt-Stromkreis als Widerstand zu benutzen. Ich rollte einen Moment lang wild mit den Augen, während die Realität um mich herum langsam Gestalt annahm.
    Ja. Ich lag in meiner Bude auf der Randall Avenue im Bett und starrte auf die Lichtmuster, die die Scheinwerfer vorbeifahrender Autos auf die Zimmerdecke zeichneten. Ich war noch voll bekleidet, und meine Sachen waren klatschnaß von kaltem Schweiß. Sehr bequem. Ich versuchte meinen Atem zu beruhigen, während ich die tröstliche Normalität in mich einsickern und das Gift der Angst vertreiben ließ.
    Es dauerte einen Augenblick, bis ich begriff, daß das schrille Kreischen immer noch in meinen Ohren gellte, als sei mir der Schrei aus Dem Traum in den Wachzustand gefolgt. Ich blinzelte und schüttelte den Kopf, und das Geräusch ging - fast wie bei einem digitalen Soundeffekt - von einem halbmenschlichen Kreischen in einen vertrauteren elektronischen Ton über. Mit einem unterdrückten Fluch richtete ich mich auf und starrte auf mein Telekom.
    Ein Anruf, mehr war es nicht. Der Klingelton hatte mich im Schlaf erreicht, und mein Unterbewußtsein hatte ihn freudig aufgenommen und in das Gefüge meines Traums eingearbeitet. Genau das, was mir gerade noch gefehlt hatte.
    Der Ton verstummte, als die Telekomsoftware zu dem Schluß kam, daß ich den Anruf nicht persönlich entgegennehmen würde und auf Anrufbeantworter umschaltete. Laut Anzeige in der Bildschirmecke war der Anruf an meine geschäftliche und nicht an meine private Mailbox gerichtet, also sah ich keinen Grund, mich aufzurappeln und mich persönlich zu melden. Während das Uralt-Telekom den Vorgang der einleitenden Begrüßung durchlief, warf ich einen Blick auf die Uhr. Beinahe halb vier. Es sah so aus, als hätte ich mein beabsichtiges einstündiges Nickerchen ein wenig ausgedehnt. Ich fragte mich träge, ob Naomi, das Smartframe, bereits mit den Korrelationen zurückgekommen war oder ob ihr irgendwelche elektronischen Ablenkungen am Wegesrand aufgelauert hatten.
    Der Telekomschirm blinkte, und ein Bild erschien... und plötzlich waren meine Gedanken alles andere als träge. Ich erkannte das Gesicht sofort. Ein Mann mittleren Alters: ein starkes Gesicht, eine gebieterische Adlernase und kalte Augen. Sein Haar war immer noch kurzgeschnitten und ein klein wenig stachelig, so daß die verchromte Datenbuchse in seiner rechten Schläfe zu sehen war. Als ich ihn zuletzt gesehen hatte, war sein Haar Pfeffer-und-Salz-farben gewesen, wobei der Pfeffer dominiert hatte. Jetzt war sein Haar fast gänzlich grauweiß, und nur mitten auf dem Kopf waren noch ein paar schwarze Strähnen geblieben. Sein Gesicht sah ebenfalls älter als vor vier Jahren aus - ein gutes Jahrzehnt älter. Die Haut war blaß und ein wenig schlaff, und unter seinen Augen waren dunkle Tränensäcke. Ich mußte an das letzte Mal denken, als wir miteinander geredet hatten. Er hatte sich an einem Ultra-Gym-Gerät die Seele aus dem Leib geschuftet, wobei das Computersystem auf einer Skala, die bis zwanzig reichte, auf Stufe achtzehn arbeitete. Dennoch hatte er ein Gespräch führen können, ohne zu keuchen oder sein Frühstück von sich zu geben. Würde er jetzt auch nur mit Stufe eins fertigwerden? Ich bezweifelte es.
    Er hieß Jacques Barnard. Als ich das letztemal Geschäfte mit ihm gemacht hatte - falls das die richtige Bezeichnung dafür ist -, war er einer der Vizepräsidenten des Yamatetsu-Konzerns und mit der Leitung des Seattier Unternehmenszweiges betraut. Hätte mein Buchmacher Quoten dafür festgelegt, ich hätte ihn als sichere Wette für eine absolute Führungskraft betrachtet, der ultimative Konzernkrieger, der sich durch kein Hindernis von seinem Weg abbringen ließ.
    Und jetzt? Ich hätte versucht, diese hypothetische Wette zurückzukaufen. Mr. Barnard sah wie ein alter Mann aus, verbraucht und gebeugt. Nicht so sehr von der Zeit, sondern vielmehr vom Wissen. Die Augen, die sich fast durch meinen Telekomschirm brannten, sahen wie die eines Mannes aus, der viele Dinge erfahren hatte, die er gar nicht wissen wollte. (Und Tatsache war, daß ich mir denken konnte, worum es sich bei einigen dieser ›Dinge‹ handelte...)
    »Mr.
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