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Haus der Jugend (German Edition)

Haus der Jugend (German Edition)

Titel: Haus der Jugend (German Edition)
Autoren: Florian Tietgen
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bemerkt, nicht, als du den Kaffee gemahlen hast, nicht, als wir Sex hatten. Erst, als wir hinterher gemeinsam zu Abend aßen, als du bliebst und wir zusammen einschliefen. Ich wusste, du würdest mir nicht entfallen, für dich wäre ich am nächsten Morgen kein Fremder. Selbst, als ich dich verschreckt hatte, weil ich mit deiner Geschichte zu unvorsichtig war, wusste ich, du würdest wiederkommen. Ich konnte das Gefühl nicht bestimmen. Die bedingungslose Liebe, die Eltern ihren Kindern angedeihen lassen war aus meinem Gedächtnis getilgt. Ich kannte sie nicht. Ich spürte nur die Sehnsucht, die du weckst und stillst. Daher der Leichtsinn mit den Geschichten, daher der Streit über deinen Mut. Ich dachte, jemand, der nicht mit dem Sonnenlicht verblasste, musste das Gleiche fühlen wie ich. Du musstest mich gespürt haben. Ich war völlig perplex, als ich merkte, du hattest nicht.
    Das Aloisiushaus rumorte damals. Es versprach mir die Ewigkeit mit dir, wenn du dich entscheiden würdest und ich jubelte darüber. Endlich heraus aus der Leere, einen Menschen, der bleibt, ein Gefühl, das bleibt, eine Erinnerung, die niemals nur eine Erinnerung bliebe. Mit dir kam mir die Ewigkeit gleich viel weniger schrecklich vor. Als hätte der Teufel mir angeboten, doch noch ins Paradies zu kommen. Aber wird die Hölle zum Paradies, nur weil man sie mit jemandem teilt, den man liebt? Wir fuhren ins Haus, verbrachten wundervolle Tage, die ich nie missen wollte. Und du warst so stark, so gut gelaunt, obwohl das Haus dich schon um deine Zukunft gebracht hatte.«
     

7.
     

    Wo war Darius?
    Es stank nach Bier und Schweiß, nach Tabak und schmutziger feuchter Kleidung, die in der Wärme taute. Die Kneipe war voll, alle Plätze besetzt, am Tresen lehnten Menschen, als wollten sie daran einschlafen. Immer noch besser, als in der Kälte zu frieren. Ich wühlte mich durch die Menge. Wenigstens zur Toilette wollte ich, mir die Hände waschen. Darius finden, so aussichtslos es auch war. Das Papier war längst aufgebraucht, die Hände musste ich an der Hose trocknen. Der Spiegel war beschlagen, trotzdem ein Blick. Wie sah ich aus? Konnte ich mich so in ein Hotel trauen, ohne hinausgeschmissen zu werden? Das Haar war gewaschen, ich war rasiert, nur schlecht gekämmt, meine Kleidung war ordentlich. Ein Wanderer auf der Durchreise.
    Bloß raus aus der Kneipe, irgendwohin, wo ich sitzen konnte, mich hinlegen, schlafen …
    Wo war Darius?
    Gärtnerplatz, Menschen strömten aus dem Theater, standen auf dem Platz, einige rauchten.
    Ausschau halten nach einer Lederjacke, dunklen Haaren, einer Tolle. Sollten die Kollegen mich doch auf der Pirsch sehen. Ich suchte keinen Sex.
    Wo war Darius?
    Richtung Nordwesten, Blumenstraße, Herzog-Wilhelm-Straße, irgendwo zum Hauptbahnhof gab es bestimmt ein Hotel, das mich einließ. Hinein in die Foyers, misstrauische Blicke, mühsames Bedauern in den Gesichtern beim Köpfeschütteln. Weiter.
    Ein Hotel.
    Zwei Hotels.
    Drei Hotels …
    Wo war Darius?
    Hauptbahnhof. Menschen schauten mich an, als wäre ich verrückt, schleppende Schritte, kaum konnte ich den Oberkörper aufrecht halten, endlich eine Bank, endlich ein Platz, endlich den Rucksack ablegen, sitzen, sitzen, sitzen, Augen schließen …
    Schlangen zischen, Heuschrecken zirpen – auf den Gleisen, auf dem Rucksack, auf meiner Schulter: »Willst du wirklich kämpfen?«
    »Ja, verdammt noch mal! Lasst mich in Ruhe! Verschwindet!«
    Stille. Sie verschwanden, zogen sich zurück, als wären sie beleidigt. Graues Metall, graue Schienen, grauer Stein, fast schwarzes Glas.
    Dunkelblaue Uniform, silbergraue Knöpfe, rote Mütze. Ein Schaffner. »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Ja. Ich brauche ein Ticket nach Altfraunhofen.«
    Meckerndes Lachen. »Wirklich? Hast du es dir gut überlegt? Du könntest es so gut haben, Siegfried Wrobel.« Meckerndes Lachen.
    Erschrecken, Augen aufreißen, Rucksack auf die Knie legen und festhalten. »Sie haben den Preis nicht genannt.«
    Wo war Darius?
    Meckerndes Lachen. »Ihn wirst du wiedersehen. Wenn du ja sagst. Das habe ich ihm versprochen. Sagst du Nein, wirst du ihn vergessen.« Meckerndes Lachen.
    Menschen umkreisten uns in würdigem Abstand, gafften, hielten sich die Hände vor den Mund. Eine Mutter zerrte an ihrem Kind, riss es mit sich. Es sollte den Verrückten nicht sehen. Graue Hosen, graue Röcke, dunkle Mäntel.
    »Was haben Sie mit ihm gemacht?«
    Meckerndes Lachen. »Du warst nicht artig, Siegfried Wrobel. Ich habe dich
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