Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hauchnah

Hauchnah

Titel: Hauchnah
Autoren: Virna Depaul
Vom Netzwerk:
sich, mit ihren Bewegungen eins zu werden, und registrierte kaum das Klopfen an der Tür. Als das Geräusch sie schließlich aufhorchen ließ, kam sie ins Stocken, doch sie glich es rasch wieder aus. Egal, wer das war. Sie öffnete die Tür nicht, es sei denn, sie hatte mit jemandem einen Besuchstermin ausgemacht.
    Es wurde noch mehrmals geklopft. Sie erhöhte noch einmal das Tempo des Laufbands und hoffte, das Hämmern ihres Besuchers damit vollständig zu übertönen.
    Bonnie hatte Natalie versichert, dass sie sich nur vorübergehend so isolieren musste. Dass es ihr die nötige Zeit gab, um sich anzupassen, bevor sie das Leben wieder bei den Hörnern packen konnte. Joanna O’Neill, ihre Therapeutin, hielt das ebenfalls für sinnvoll.
    Schließlich gestand man auch Blumenzwiebeln eine gewisse Zeit unter der Erde zu.
    Joanna jedoch war anscheinend der Meinung, Natalies Zeit im Verborgenen nähere sich dem Ende. Bonnie widersprach, und Natalie war gern bereit, ihr einen gewissen Vertrauensbonus zu geben.
    Ihr Haar, das dünne T-Shirt und ihre Shorts waren feucht von Schweiß. Natalie konzentrierte sich auf die Musik. Auf ihr schweres Atmen, wie es Luft in ihren Körper und wieder herauspumpte. Auf die Kraft ihrer Beine und Füße, die in einem stetigen Rhythmus auf dem Laufband trommelten. Es nützte nichts. DasKlopfen an der Tür verstummte nicht, wurde mit jeder Sekunde lauter und lauter. Undeutlich nahm sie eine Männerstimme wahr.
    Geh weg, dachte sie verärgert, bemühte sich dennoch, seine Worte zu verstehen. Die Stimme ertönte wieder, dieses Mal lauter, und endlich verstand sie, was der Mann sagte.
    Polizei.
    Schon wieder die Polizei. Vielleicht mit Neuigkeiten. Sie sollte …
    Aufgrund der Ablenkung geriet sie aus dem Takt.
    Ihr Fuß knickte um. Natalie stürzte, während das Laufband unter ihr mit unverminderter Geschwindigkeit weiterlief. Hastig breitete sie die Arme aus; sie wusste aus Erfahrung, dass sie dadurch die Anzahl der Blutergüsse und Schnittwunden einschränken konnte, aber nur, wenn sie nicht mit dem Kopf auf die Laufbandkonsole aufschlug. Bei ihrem letzten Sturz hatte sie sich so fies den Kopf aufgeschlagen, dass die Wunde genäht werden musste. Schlimmer noch, der neuerliche Krankenhausaufenthalt hatte bei ihr eine ausgewachsene Panikattacke ausgelöst.
    Als ihr Körper auf das Laufband krachte und nach hinten geschleift wurde, schrie sie vor Schmerzen. Etwas Scharfes streifte ihre nackten Beine, dann ihre Wangen. Sie brachte sich auf ihrem Wohnzimmerteppich in Sicherheit und blieb benommen liegen.
    Bis hinter ihr ein lautes Poltern ertönte. Natalie rollte sich auf den Rücken, stemmte sich hoch und strengte ihre Augen an. Nichts. Sie sah nichts. Aber sie konnte sie hören. Hörte, wie sie sich auswiesen. Hörte die schnellen schweren Schritte auf den Fliesen ihrer Eingangshalle, die vom Teppich verschluckt wurden, als sie das Wohnzimmer erreicht hatten.
    Natalie erkannte zwei große Schatten. Hasste die Vorstellung, dass sich schon wieder Fremde in ihrem Haus aufhielten. „Nein, halt …“, wollte sie rufen, doch die Worte blieben ihr im Halse stecken. Sie konnte nur in kurzen Stößen nach Luft ringen. „Bitte“, brachte sie mühsam hervor. „Ich bin …“
    „Schau in den Schlafzimmern nach“, blaffte eine Männerstimme. Im nächsten Moment wurde es still im Raum, nachdemdas Laufband ausgeschaltet worden war. Jemand packte mit kräftigen Händen Natalies Arm, und sie zuckte zurück. Seine Berührung brannte wie Feuer auf ihrer Haut.
    Der Schatten an ihrer Seite nahm Gestalt an, blieb allerdings verschwommen.
    Und dann erklang wieder seine Stimme.
    Volltönend. Sanft. Rau.
    Wie dunkle Schokolade mit gerade genug Karamell, um auf den Geschmack zu kommen.
    „Ich bin Special Agent Liam McKenzie vom Justizministerium von Kalifornien. Fehlt Ihnen was?“
    „Fehlt Ihnen was?“, wiederholte Mac. Natalie Jones starrte ihn wortlos aus großen Augen unverwandt an. Ihre Brust hob und senkte sich unter dem dünnen T-Shirt. Macs Herz schlug immer noch hart gegen seine Rippen, seine Muskeln waren kampfbereit angespannt. Er musterte Natalie, erfasste sowohl körperliche Merkmale als auch ihren gesundheitlichen Zustand. Braunblondes Haar, zu einem Pferdeschwanz gebunden. Eine schmale, leicht muskulöse Figur, die kraftvoll wirkte, obwohl Natalies verzerrtes Gesicht verriet, dass sie Schmerzen hatte. Sie hatte rote Flecke an den Beinen und an einer Wange, aber die waren nichts im Vergleich zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher