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Hauch der Verdammnis

Hauch der Verdammnis

Titel: Hauch der Verdammnis
Autoren: John Saul
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wusste nun auch, was es war.
    Sie erhob sich und ignorierte, dass ihre Glieder steif geworden waren. Sie war an Robs Schulter eingedöst, dicht neben dem kleinen Feuer sitzend, das Puna die ganze Nacht genährt hatte. »Wo ist er?« fragte sie und suchte den heller werdenden Himmel nach der Quelle des Lärms ab.
    Dann sah sie ihn. Er kam aus der Richtung von Maui. Sie erkannte Takeo Yoshiharas Hubschrauber sofort. »Michael«, flüsterte sie und klammerte sich an Robs Arm, während sie den Helikopter im Auge behielt. »Wo ist Michael?«
    »Er ist noch nicht zurückgekommen«, antwortete Rob. »Gehen wir ihn suchen.«
     
    »Da!« rief Takeo Yoshihara und deutete auf die Hänge des Kilauea. Arnold Bermans Hubschrauber stand deutlich sichtbar auf einer kleinen Lichtung.
    »Soll ich landen?« fragte der Pilot.
    »Erst wenn wir den Jungen gefunden haben!« Ein zufriedenes Lächeln umspielte Yoshiharas Lippen, während er nach unten sah. Auch wenn das Glühen der Lavaströme, die sich durch die rissigen und zerfurchten Spalten wälzten, in der Morgendämmerung langsam verblich, tanzten die Flammen doch immer noch über Feuergruben und Kratern. Immer noch stiegen Dampf und Rauch von den Fumarolen auf, die den großen Riß säumten - die Stelle, an der irgendwann einmal ein riesiges Stück der Insel Hawaii abbrechen und im Meer versinken würde. Eine Hunderte von Metern hohe Flutwelle würde folgen - nicht heute oder morgen, nicht in diesem oder im nächsten Jahr. Auch zu Lebzeiten Takeo Yoshiharas würde sich wahrscheinlich nichts dergleichen mehr ereignen, nicht einmal Generationen darauf. Was Yoshihara im Grunde bedauerte: Eine solche Naturkatastrophe und die Zerstörungen, die sie anrichten würde, wäre zweifellos ein interessantes Phänomen. Aber an diesem Morgen hatte er Wichtigeres zu erledigen, als über vulkanische Aktivitäten nachzudenken.
    Sein Timing war perfekt.
    Sie waren im Dunkeln in Maui gestartet, aber wenn sie den Jungen fanden - und natürlich würden sie ihn finden -, würde es langsam hell werden.
    Hell genug, um ihn zu jagen und einzufangen.
    Oder zu töten.
    Es gab nur wenige Zeugen. Nur die Mutter, den törichten Dr. Silver und den Piloten. Keiner von ihnen würde überleben.
    »Fliegen Sie niedriger«, befahl er. »Wir sollten gleich ...« Er sprach den Satz nicht zu Ende, denn er hatte gesehen, dass sich dort unten etwas bewegte. Er sah durch sein Leica-Fernglas, das an einem Riemen um seinen Hals hing. »Ja«, sagte er leise. »Da ist er.«
    Das Fernglas auf Michael Sundquist gerichtet, dirigierte Takeo Yoshihara den Piloten zu der Stelle, wo der Junge stand.
     
    Fast zwei Stunden waren verstrichen, aber Michael hatte schon lange jedes Zeitgefühl verloren. Der ewige Rhythmus des Feuers, das über dem Krater tanzte, hatte ihn in seinen Bann gezogen. Nachdem er die kleine Oase verlassen hatte, wo inmitten der Lava Bäume wuchsen und die anderen noch recht gut atmen konnten, hatte er sich behende durch die geschundene Landschaft bewegt. Seine Sinne, die mit jeder Minute geschärft wurden, in der er die Stoffe einatmete, die sein Körper jetzt brauchte, führten ihn von einem Eruptionskanal zum nächsten. An jedem blieb er stehen und inhalierte die schweren Dämpfe, die aus den Rissen in der Erdkruste aufstiegen, atmete den stechenden Rauch ein, der aus den Fumarolen drang. Schließlich kam er zum Krater. Dort stand er an der Kante, und während ihn die Nacht in ihren dunklen Mantel hüllte, hatte er bewundernd beobachtet, wie das Feuer im Erdinnern brodelte. Die Flammen tanzten und formten subtile Muster über dem geschmolzenen Stein, der pochte, als wäre er das Herz des Planeten. Jetzt, da der schwarze Mantel langsam von Michael abglitt, konnte er eine Veränderung ausmachen.
    Der Rhythmus der Flammen schien intensiver zu werden, als hätten sie noch etwas Wichtiges mitzuteilen, bevor der strahlende Glanz der Sonne ihren eigenen Glanz verblassen ließ.
    Michael streckte sich. Obwohl er so lange am Rand des Kraters gehockt hatte, fühlte er sich nicht steif oder verspannt. Dann - er fühlte es mehr, als dass er es hörte - mischte sich ein neuer Rhythmus unter den alten. Zuerst versuchte Michael ihn zu ignorieren, doch schließlich wurde er so heftig, dass er seinen Blick von den pulsierenden Flammen losriß und nach oben sah.
    Der Helikopter, der hoch über ihm schwebte, sah aus wie eine schimmernde Libelle, die mit den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne ihre Beute sucht. Zunächst blickte
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