Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hasturs Erbe

Hasturs Erbe

Titel: Hasturs Erbe
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
bißchen getan, wie es von Comyn-Erben bei den Kadetten erwartet wird: Ich habe die Straßenpatrouillen überwacht und alles organisiert, von der Futterversorgung bis zu den Packpferden als Eskorte für Comyn-Ladys; ich habe dem Waffenmeister geholfen und mich vergewissert, daß der Mann, der die Kaserne putzte, seine Sache richtig tat. Ich mochte den Dienst bei den Kadetten nicht und hatte auch keinen Spaß, bei der Wache ein Kommando zu führen. Doch was wollte ich tun? Es war wie ein Berg, den ich weder überqueren noch umrunden konnte. Vater brauchte mich und wollte mich, und ich konnte ihn nicht allein lassen.
    Als ich neben Regis Hastur ritt, fragte ich mich, ob es ein Zeichen von Freundschaft war, daß er zu mir gekommen war, oder ein listiger Versuch, sich mit meinem Vater gut zu stellen. Vor drei Jahren hätte ich mit Sicherheit »Freundschaft« geantwortet. Doch in drei Jahren ändern sich Jungen, und Regis hatte sich stärker als die anderen verändert.
    Er hatte ein paar Winter auf Armida verbracht, bevor er in das Kloster ging und ich zum Arilinn. Ich habe bei ihm nie daran gedacht, daß er der Erbe der Hasturs ist. Man sagte, seine Gesundheit sei nicht die stabilste, und der alte Hastur hatte gemeint, das Landleben und Gesellschaft würden ihm guttun. Meistens war es mir überlassen, auf ihn achtzugeben. Ich habe ihn mit zum Reiten und auf die Falkenjagd genommen, und er ist mit mir hinauf auf die weiten Hochplateaus geritten, als man die großen Herden von Wildpferden einfing und zum Einreiten hinabbrachte. Ich erinnere mich an ihn als an einen etwas klein geratenen Jungen, der mir überallhin folgte, meine abgetragenen Reithosen und Hemden trug, weil seine eigenen ihm zu klein geworden waren. Er spielte mit den jungen Hunden und neugeborenen Fohlen, beugte sich ernsthaft und unbeholfen über die Näherei von Falkenhauben, als man ihm diese Arbeit beibrachte. Er lernte von Vater, mit dem Schwert umzugehen, und er übte mit mir. Während jenes schrecklichen Frühlings, als er zwölf Jahre alt war, als die Kilghard-Berge in Feuer aufgingen und jeder kräftige Mann zwischen zehn und achtzig zur Feuerbekämpfung abkommandiert wurde, haben wir am Tag Seite an Seite gearbeitet, haben aus einer Schüssel gegessen und in der Nacht die Wolldecke geteilt. Wir hatten Angst, auch Armida würde in Flammen aufgehen. Einige der Gebäude am Rand hatten sich entzündet. Wir standen uns näher als Brüder. Als er nach Nevarsin ging, habe ich ihn schrecklich vermißt. Es war schwierig, meine Erinnerungen an diesen Fast-Bruder mit jenem selbstbewußten, ernsten jungen Prinzen in Einklang zu bringen. Vielleicht hatte er in der Zwischenzeit gelernt, daß die Freundschaft mit Kennards Nedestro doch nicht das richtige für einen Hastur-Erben war.
    Ich hätte es herausfinden können, sicher, und er hätte es nie erfahren. Aber für einen Telepathen ist dies keine Versuchung mehr nach den ersten Monaten. Man lernt, nicht in anderen Köpfen herumzuschnüffeln.
    Aber er gab sich nicht unfreundlich und fragte mich sogleich, warum ich ihn nicht mit seinem Namen angeredet habe. Da mich diese offene Frage völlig überraschte, gab ich ihm eine freie Antwort anstatt einer diplomatischen, und alles war wieder beim alten.
    Als wir die Tore passiert hatten, war es nicht mehr weit bis zum Schloß, doch es reichte, um völlig durchnäßt zu werden. Ich wußte, daß es Vater in der feuchten Kälte schlechtging – er ist lahm seit ich denken kann, doch in den letzten paar Wintern ist es schlimmer geworden – und daß auch Marius sich naß und unangenehm fühlte. Als wir in den Vorhof des Schlosses gelangten, war es schon dunkel, und wenn Nachtregen in dieser Jahreszeit auch selten in Schnee übergeht, so waren doch scharfe Hagelkörner darunter. Ich glitt vom Pferd und ging schnell zu Vater, um ihm beim Absitzen behilflich zu sein, doch Lord Dyan hatte ihm schon herabgeholfen und ihm seinen Arm angeboten.
    Ich zog mich zurück. Seit den ersten Jahren bei den Kadetten habe ich mir zur Gewohnheit gemacht, Lord Dyan nicht näher zu treten als unbedingt notwendig. Am liebsten ging ich ihm ganz aus dem Weg.
    Bei der Wache gibt es für Kadetten des ersten Jahres einen Brauch. Wir werden im waffenlosen Kampf ausgebildet und sollen die Gewohnheit entwickeln, allzeit vorsichtig und aufmerksam zu sein; daher ist es im ersten Jahr in Wachraum und Rüstkammer jedem der Höherstehenden erlaubt, uns zu überraschen, wenn er kann, und uns anzugreifen. Es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher