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Hartmut und ich: Roman

Hartmut und ich: Roman

Titel: Hartmut und ich: Roman
Autoren: Oliver Uschmann
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Amazon, Otto … « Er fuchtelt mit den Händen über dem Tisch wie eine Mutter, die nicht weiß, wo ihr der Kopf steht. »Ich kaufe bei allen. Ich lasse keinen aus, der mir was schickt. Ich habe keinen Filter. Sie werden schon sehen, was sie davon haben!« Ich stelle die Milch wieder in den Kühlschrank und nehme mir eine Flasche Bier heraus. Es ist Mittag, aber ich habe gearbeitet. Hart. Ich setze mich nebenan auf die Couch, mache den Fernseher an, schalte auf den externen Anschluss und starte die Playstation. Grollend materialisiert sich der Startbildschirm von Resident Evil 3 auf der Mattscheibe. Ich öffne das Bier. »Wie lange willst du das machen?«, frage ich in die Küche rüber. »Bis sie es verstehen. Bis ich alle durchhabe. Das wird ihnen eine Lehre sein!« Ich frage mich, wo er das Geld herhat. Ich frage lieber nicht. Ich erinnere mich an den Samstag, als Hartmut und ich auf dem Trödelmarkt waren und uns vornahmen, an ausnahmslos jedem Stand was zu kaufen. An jedem richtigen Stand, versteht sich. Familien mit altem Porzellan, zerkratzten Drehscheibentelefonen, abgewetzten He-Man-Figuren mit fehlendem Arm und Platten von James Last und Jethro Tull. Die Klamottenmarokkaner, Elektrotürken und Militariadeutschen zählten nicht. Es war einer der spaßigsten Vormittage unseres Zusammenlebens. Ich erschieße einen Zombie, der gerade um die Laternenecke biegt, als Hartmut die Mikrowelle anmacht. Wenigstens isst er noch, denke ich.
    Am späten Abend gehe ich in die Wanne, lese Marvel-Comics und atme den Duft des Schaumbads ein. Plötzlich höre ich Geräusche aus Hartmuts Zimmer. Hartmuts Schreibtischstuhl quietscht fast rhythmisch, und leise höre ich ihn schneller und schneller atmen. Bläuliches Licht fällt durch das Schlüsselloch. Im Bad ist kein Licht außer meiner Lesekerze neben der Wanne. Hartmut wird langsam lauter, und nach zirka drei Minuten schreit er, und der Stuhl macht einen Ruck. »Ich bade hier!«, rufe ich durch die geschlossene Tür herüber. Hartmut öffnet sie, grinst, streckt seinen nackten Oberkörper ins Bad, versteckt sein Unterteil dezent hinter dem Türrahmen und fischt sich ein Handtuch von der Stange. Ich schüttele den Kopf, blättere meinen Comic um und tauche ein wenig tiefer ins Wasser. Nach fünf Minuten geht das Gequietsche wieder los. Hartmut wackelt, Hartmut zappelt, Hartmut schreit. Leiser, aber er schreit. »Das Handtuch hat er ja schon«, denke ich. Bleibt nur die Lärmbelästigung. Als Hartmut wenig später zum dritten und vierten Mal kommt, frage ich ihn, wie viele Pornoanbieter er schon durchhat und ob er bei den Spam-Mails nach den Firmen oder sogar nach den einzelnen Frauen geht. Es mag ja zu schaffen sein, in ein paar Monaten alle Grundanbieter durchzuhaben, aber wenn er auf jede einzelne Natalie, Steffi, Bettie, Maja, Anja, Tanja und Vivien antwortet, die mit einer exklusiven Videobotschaft auf ihn wartet, wird er bald mehr als nur Penisvergrößerungspillen brauchen. »Kein Problem, ich hab schon ein Durchhaltepräparat bestellt!«, ruft er zurück. »Apropos-weißt du, ob wir noch Kamillosan im Haus haben?«
    Nach knapp drei Wochen hat Hartmut das Experiment »Subversion durch Affirmation« eingestellt. Einem Fernsehsender oder dem Spiegel wollte er nicht erzählen, wie viel Geld er in dieser Zeit ausgegeben hat und dass wir einen Stapel neuer Handtücher kaufen mussten, während Hartmut mit ständig wachsendem Penis und einer 3D-Brille auf dem Kopf vor dem Fernseher saß und teuer bestellte TimeLife-Videos glotzte. Hartmut hält nichts von Öffentlichkeit. »So erhält meine Aktion ja doch nur wieder Einzug in die symbolische Ordnung und wird unter K wie Kuriosum abgebucht«, sagt er dann. Meinetwegen hätten die Journalisten aber ruhig kommen können. Wir hätten ihnen erzählt, dass Hartmut tatsächlich alle Kosten wieder dadurch reingeholt hat, dass er bei FreeLotto.de 40 000 Euro gewann. Das allerdings ist wirklich ein Kuriosum.

SAMSTAG BEI JOCHEN
    Hartmut und ich sind auf dem Weg zu Jochen, Hartmuts altem Schulfreund. Es ist heiß, und an den Trinkhallen kaufen die Kinder Wassereisstangen, während die Säufer sie dabei melancholisch ansehen. Es gibt viele Trinkhallen in Dortmund.
    Ich gehe das erste Mal mit zum Samstag bei Jochen, und seit wir daheim in die S-Bahn gestiegen sind, erzählt Hartmut von ihm. Wie ich das so höre, denke ich mir, dass die beiden viel besser in eine WG gepasst hätten als Hartmut und ich. Jochen hat mal studiert und lebt
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