Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hartland

Hartland

Titel: Hartland
Autoren: Wolfgang Buescher
Vom Netzwerk:
Lüge. Das war das Spitze an ihm, das Beleidigte und Empörte – daß die Welt nicht so wollte, wie sie sollte, daß sie log und betrog, man mußte ihr auf die Schliche kommen, sie zwingen, die Untugend zu bekennen.
    Wie wir auf den Papst kamen, weiß ich nicht mehr. Plötzlich warf er sich darauf. Was der Papst mich anginge, fuhr er mich an. Das geht dich einen Dreck an, dachte ich und begann widerwillig und umständlich: «Nun, er ist Deutscher und   …»
    Da schrie er, triumphierend, als führe er den letzten, tödlichen Hieb gegen diesen Schurken zu Fuß und seine Lügen: «Der Papst ist Österreicher!»
    Es war klar, er hatte den Papst mit Hitler verwechselt. Er hatte sich auf ein Feld gewagt, das zu groß für ihn war. Kaum hatte er das herausgeschrien, da schrumpfte er. Vielleicht sah nur ich es und sonst keiner im Raum, aber ich sah es deutlich. Er wurde klein und schrumpelig vor meinen Augen.
    Irgendwann in diesen Stunden, in denen ich festgehalten wurde, hatte ich mit dem Gang durch Amerika abgeschlossen. Wollt ihr mich nicht, dann will auch ich nicht. Sollten sie mich doch fortjagen von ihrer Grenze, ich würde den Rucksack schultern und die Straße nach Norden gehen, die ich gekommen war, dem toten Skunkzunicken und nie wieder dieses Land bitten, es betreten zu dürfen. Ich hatte die Angriffe meines Widersachers weiter pariert, aber dem Verhör wie ein Beobachter zugeschaut, als ginge es mich nichts mehr an. Dieser Gleichmut war nun weggeblasen. Ich spürte die Waffe in der Hand, er selbst hatte sie mir zugespielt bei seiner letzten übergeschnappten Attacke. Die Grenzer schwiegen. So kühl und so abschließend wie möglich sagte ich in die Stille hinein: «Der Papst ist natürlich Bayer.»
    O ja, es war kindisch. Nein, es war bitterernst. Was war es gewesen – ein Duell zwischen amerikanischer Ignoranz und europäischer Arroganz? Vielleicht. Vielleicht auch umgekehrt. Die Grenzer standen im Halbkreis um uns, sie hatten das Verhör bis zuletzt verfolgt. Mancher sah zur Seite, keiner ließ sich anmerken, was er dachte. Das Duell war ausgetragen. Der Papst war Bayer, mein Widersacher besiegt. Fauchend verschwand er. Die Tür fiel hinter ihm zu, mir stand die Tür nach Amerika offen. Ein paar Minuten noch, und ich war frei.
    Um die Anspannung zu lösen, fragte ich dies und das über Dakota, der Riese und auch der Junge gingen gleich darauf ein. Dakota sei sicher, sagten sie, aber je weiter südlich man komme, desto unsicherer werde es. Am schlimmsten sei Texas, aber Mexiko noch viel schlimmer. Wie es hier oben denn mit wilden Tieren bestellt sei, fragte ich weiter. Wölfe gebe es und Kojoten, erklärte mir der Riese und, nach einer Pause, um es spannend zu machen:
    «Und
cougars
, Berglöwen.»
    «Greifen sie Menschen an?»
    «Kojoten haben mehr Angst vor Ihnen als umgekehrt»,sagte der Junge. «Mit den Berglöwen ist es was anderes.»
    «Erst neulich wurde einer gesichtet, zwei Meilen vor der Stadt», sagte der Riese, und es erschien ein breites Grinsen auf seinem Gesicht. «Also, wenn Sie zu Fuß gehen wollen   … Wenn Sie allein sind, und der Löwe ist hungrig   …»
    Sie hatten mich angewiesen, Jacke und Stiefel wieder anzuziehen und meine Sachen einzupacken, aber nun ging den Grenzern mein sorgsames Packen auf die Nerven, sie sagten, ich solle das Zeug einfach in den Rucksack stopfen und draußen warten. Nach einer Weile gaben sie mir meinen Paß, darin fand sich das Visum. Ich könne nun nach Amerika gehen, sagten sie. Ich ging in den Saloon.
    Norddakota im Morgenlicht
    Ich erwachte, machte Licht und fand mich in einem Dreißig-Dollar-Zimmer. Ich sah es mir genau an. Ich würde es oft wiedererkennen in den Monaten, die vor mir lagen, beinah jede Nacht – den Teppichboden von unklar dunkler Farbe, mit den unübersehbaren Spuren der Motelgäste; den abgewetzten Sessel, auf dem mein Rucksack die Nacht verbracht hatte; das Kingsize-Bett, darin ich; und auch mein Zimmergenosse, der Fernseher, würde mir vertraut werden, mehr als das, ein verläßlicher Reisekamerad.
    Er war es, der mir abends als letzter gute Nacht sagte, und er war es, der mir als erster guten Morgen wünschte, wenn ich, eben aufgewacht, zur Fernbedienung griff, um zu hören, wie heute das Wetter würde. Er warnte mich vor Blizzards, Hagelstürmen, Tornados, vor der Regierung und berichtete mir knapp, was ich noch wissen mußte. Auch wenn ich einmal nicht schlafen konnte und Mitternacht lange vorbei war, wußte er Rat; dann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher