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Hartland

Hartland

Titel: Hartland
Autoren: Wolfgang Buescher
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erregte eine allzu bekannte Stimmung, jene melancholische Lust, sich treiben zu lassen, die die Filme beschworen, denen ich aber misstraute, weil jeder Film ein Propagandafilm ist, gerade in den Dingen, die er nicht ausspricht. Aber jetzt war es kein Film, jetzt war es ein Lied. Ein Mann und sein Truck, unterwegs durch Dakota: «Where you headin’? – South, man, south of the border, down Mexico way.» Ich wollte in dieses Lied fallen, ganz, ich wollte diese einsame Fahrt zu einem mystischen Ort namens Rapid City, der Stadt des Plötzlichen, der rapiden Erlösung.Ich wollte ihn, meinen amerikanischen Mist. Ich bekam ihn. Der Sturm ließ nach,
mist
kam auf, Nebel. Ich fuhr sie nun, wahrlich und wahrhaftig, die
misty road.
    Prinz Shatterhand
    Ich fuhr über den Missouri, und nichts daran war ungewöhnlich, eine Brücke wie hundert andere, ein Fluß, überquert in einer Minute, aber der Eindruck, eine Grenze zu überschreiten, ließ sich nicht abweisen. Hart am Westufer des Missouri lagen die Reservate, tief nach Süddakota hineinreichend das der Sioux und das kaum weniger große der Cheyenne. Was wie eine natürliche Flußgrenze aussah, war alles andere als das. Es war der Vorhang am Ende eines Dramas in vielen blutigen Aufzügen, gegeben das ganze 19.   Jahrhundert hindurch.
    Erst hatte der Mississippi den Drang der Siedler nach Westen eine Zeitlang aufgehalten. An seinem Ufer stockte der Zug der Planwagen und Handkarren, Ochsen und Milchkühe, der Reiter und armen Schlucker zu Fuß. Westlich des Mississippi begann Feindesland – endlos eintönige Prärie, beherrscht von kriegerischen Stämmen auf der Suche nach Beute. Aber der Strom der Glückssucher aus Europa hielt an, und die Sage von Land und Gold im fernen Westen betäubte die Angst vor Indianerüberfällen, wilden Tieren, Hunger und Durst, so beglaubigt das alles auch war durch Erzählungen derer, die es gewagt hatten. Der große Treck zog weiter, und die
frontier
, die Grenze, zog nach. Die einen gingen unterwegs zugrunde, andere kamen durch – nach Oregon, nach Kalifornien. Mit der Zeit wurden aus vagen Treckrouten feste Pfade durch die Prärie, unddie westwärts wandernde Grenze verharrte eine Weile am Missouri. Er war nun die Barriere, hinter die die Indianerstämme der Great Plains getrieben wurden wie Jahrzehnte zuvor die Stämme des Ostens hinter den Mississippi.
    Zugleich war der Missouri eine Straße. Wem die Wildnis nicht eine schreckliche Prüfung war, die ihm der Herrgott auf den Weg ins Land von Milch und Honig gelegt hatte, wer in die Wildnis selbst wollte, der fuhr den Missouri hinauf. Abenteurer, Pelzhändler, Jäger, Fallensteller, Männer, die es jahrelang unter Indianer verschlug – und frühe Forscher. Einer von ihnen war ein deutscher Aristokrat, Maximilian Prinz zu Wied und Neuwied. Im Frühjahr 1833 fuhr er mit seinem Zeichner Carl Bodmer und seinem Hofjäger David Dreidoppel im Dampfschiff «Assiniboin», benannt nach einem Stamm des Nordwestens, den Missouri hinauf, um das «innere Nordamerika» zu erforschen. Sein Bericht steckte in meinem Rucksack.
    Den Heart River, der darin eine Rolle spielt, hätte ich fast unbemerkt passiert, so beiläufig huscht dieser Nebenfluß aus den westlichen Bergen unter der Straße hindurch, dem nahen Missouri zu. Am 16.   Juni 1833, frühmorgens um sechs Uhr, waren Wied und seine Gefährten an der Mündung des Heart River an Land gegangen. Ungestümes Wetter hatte die «Assiniboin» ans Waldufer geworfen und nötigte die Reisenden, einen ganzen Tag zu bleiben. Hier war Indianerland, Bisonland, Wolfland. Die Welt, die der deutsche Prinz betrat, zeigte sich ihm noch so, wie sie seit Jahrhunderten, vielleicht Jahrtausenden gewesen war, mit dem einzigenUnterschied, daß ihre Bewohner nun Feuerwaffen und Pferde besaßen. An ihrer Lebensweise und ihren Ansichten über das Leben hatte sich wenig geändert.
    Wieds Schiff dampfte durch eine reiche Tierwelt. Antilopen, Hirsche, Elche und anderes jagdbare Wild erschienen in großer Zahl am Ufer, auch Wolfsrudel, oftmals ohne Scheu. «Überall führten Bison- und Elchpfade durch den Wald», notierte er, «und an den Baumstämmen hing die Wolle der ersten, wo sie sich an dem Holz gerieben hatten.» Eine Schlangenart mit orangefarbener Rückenzeichnung und ein auffallend schöner, buntgefiederter Vogel fanden seine Bewunderung, dazu die Rosen, die ganze Waldufer bedeckten.
    Vor allem anderen erstaunte die Deutschen der Bison. Millionen dieser urtümlichen
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