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Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule
Autoren: Christine Lehmann
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gehen jetzt. Es ist ohnehin eine Geschmacklosigkeit extraordinaire , was Sie hier treiben.«
    Isolde drehte sich wortlos um. Ich hielt ihr die Tür auf. Während der Kamelhaarmantel an mir vorbeirauschte, zeigte ich der Klasse verstohlen den erhobenen Daumen.
    »Sie sollten sich was schämen!«, sagte Hoffmann.
    Die Blonde kicherte lautlos in ihre Nike-Jacke hinein.

2
     
    Isolde schwieg ausführlich. Ich zwang Brontë auf der linken Spur zwischen Straßenbahndamm und einem Lastwagen hindurch. Isolde holte Luft. »Was habe ich denn falsch gemacht?«
    »Zerbrechen Sie sich nicht Ihr schönes Köpfchen. Es war schon okay.« Die Riesenreifen des Lastwagens ka men Brontës Flanke bedrohlich nahe. »Natürlich hätten Sie Otter nicht die Antworten schenken dürfen …«
    »Und Ihre Frage, ob Marquardt schwul war, war natürlich superschlau. Was sollte er denn darauf antworten?«
    »Er hat doch geantwortet. Er hat alles gestanden: seine Angst vor den Schülern, vor den Kollegen, vor sich sel ber. Marquardt war in seinen Augen ein Querulant. Otter wollte ihn wegloben. Wir haben nämlich Beförderungsstopp im Ländle. Otter benimmt sich wie einer, der die ganz oben auf seiner Seite weiß gegen sein eigenes Kollegium. Das dürfte Ihnen doch vertraut sein!«
    »Wenn das eine Anspielung sein soll«, schnappte Isolde, »dass ich mit Herrn Elsäßer bekannt bin, dann … dann möchte ich eines mal klarstellen …«
    »Wenn Sie jemals Journalistin werden wollen«, unterbrach ich, »dann bringen Sie sich bei einem Thema nie selbst ins Spiel!«
    »Was haben Sie eigentlich gegen mich?«
    Ich lachte. »Streichen Sie das Ich aus Ihrem Wortschatz. Das Bedürfnis, als Mensch respektiert zu werden, ist eine schlechte Voraussetzung für die Unabhängigkeit der Presse.«
    »Wenigstens habe ich es nicht nötig, andere Menschen wie Dreck zu behandeln.«
    In der Redaktion räumte ich ihr die Hälfte meines Schreibtischs frei, besorgte ihr einen Stuhl und legte ihr Papier und Kugelschreiber hin. Selbstverständlich war sie es gewohnt, am Bildschirm zu arbeiten. Den Artikel über den toten Lehrer mit der Hand zu malen, bedeutete Rückfall in Zeit und Stil von Deutschaufsätzen. Sie hielt die Hand schützend übers Blatt. Dass sie sich drangsaliert fühlte, hinderte mich daran, den Stuhl samt der nach Venezia duftenden Intelligenz mit einem Fußtritt aus meinem Kabuff zu befördern.
    Ich klickte mich im Computer durch die Agenturmeldungen. Das Land strich die Fahrtkostenzuschüsse für die Schüler. Entweder die Kommunen zahlten fürs Abo oder die Eltern, wenn sie die Kinder aufs Gymnasium schickten. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissen schaft zeterte wieder einmal was vom Ende der Chan cengleichheit.
    Isolde hüstelte. »Ich habe da ein Problem. Was wissen wir schon? Sollte man nicht bei der Polizei anrufen?«
    »Gratuliere. Sie haben so viele Waschmaschinen gewonnen, wie Sie tragen können.«
    Die Leichtgläser blitzten. Ich korrigierte ihr Recher cheergebnis im Telefonbuch in Richtung Landespolizeidirektion II. Isolde konnte nicht wissen, dass die LPD I fürs Umland zuständig war. Da sie die Angewohnheit hatte, die Gesprächspartner mit Namen anzureden, be kam ich mit, dass sie an den Chef der Pressestelle geraten war, der sich als Bollwerk gegen die öffentliche Neugierde verstand, vor allem wenn er Volontäre am Ohr hatte.
    »Aber, Herr Käfer …« Isolde malte Quadrate aufs Pa pier. »Sie gehen doch offenbar von einem Gewaltverbrechen aus.« Sie füllte die Quadrate schwarz aus. »Ich will doch bloß wissen, ob es Mord war …« Sie versah die Quadrate mit Nasen. »… meinetwegen ein Tötungsdelikt …« Die Nasen wurden lang und krummer. »Ich meine …« Die Nasen bekamen Warzen. »Na gut, dann warten wir eben die Pressemitteilung ab.« Sie knall te den Hörer aufs Gerät.
    Elsäßer verdunkelte den Eingang meines Kabuffs und erkundigte sich, ob er die Damen zur Recherche ausführen dürfe. Schwer zu sagen, wen es mehr erleichterte, die Dame oder den Herrn, dass ich den Mittagstisch ablehn te. Isolde knüllte ihr Blatt in den Papierkorb. Kaum waren sie und ihr Parfüm weg, fischte ich es wieder heraus. Sie hatte eine schwungvolle Handschrift.
    »Im Paul-Häberlin-Gymnasium im Stadtteil Münster wurde heute Morgen die Leiche des Deutsch- und Ethik lehrers Marquardt aufgefunden …« Aufgefunden, ja wohl! Isolde brauchte nicht erst ein Polizeifax als Vorlage.
    Ich kramte Christoph Weiningers Nummer aus mei nem Karteikasten und rief im
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