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Hart

Hart

Titel: Hart
Autoren: Gwen Masters
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man als Erstes, wenn man angekommen ist?»
    «Man packt aus.»
    «Richtig. Man packt aus, damit man seinen Aufenthalt genießen kann, wie lange der auch dauern mag.»
    Ich musste lächeln. «Also, das ist die positivste Bemerkung über Gepäck, die ich je gehört habe.»
    «Betrachte das hier als Auspacken», sagte er. «Damit fängt man an, und danach wird es dann richtig gut.»
    Ich begann zu erzählen. Nach einer Weile stand Tom auf, um mehr Bier aus dem Kühlschrank zu holen, bat mich aber, weiterzureden. Ich erzählte ihm von Michael, von unserer Trennung und den Gründen dafür. Ich erzählte ihm von meinen Albträumen und den Vorstellungen, die mich bisweilen überfielen. Als ich die Sache mit der Hantelbank erklärte, blickte Tom auf seine Arme hinunter und lächelte mir entschuldigend zu.
    «Das erklärt deinen Blick von vorhin», sagte er. «Es tut mir leid.»
    «Was tut dir leid?»
    «Dass ich dich an etwas Unangenehmes erinnert habe.» Lächelnd berührte ich seine Hand. «Darüber reden hilft», sagte ich.
    «Dann mach unbedingt weiter. Ich höre zu. Das merkst du doch?»
    Bald darauf standen wir Seite an Seite in der Küche und bereiteten ein spätes und unkonventionelles Mittagessen aus Eiern und Speck sowie Keksen zu, die Tom unbedingt selbst backen wollte. Er stellte seine Fragen auf die direkte Art, an die ich nun schon gewöhnt war, und ich antwortete ihm so ehrlich, wie ich es fertigbrachte. Er fragte mich über Michael aus. Über meine Arbeit als Schriftstellerin. Über mein Leben und alles, was mich zu der Person macht, die ich bin.
    Als wir auf der Terrasse aßen, von wo man einen Blick aufs Wasser hatte, erfuhr ich, dass er seit sechs Jahren geschieden war und dass seine Kinder ihm sehr viel bedeuteten, er sie aber nur selten zu sehen bekam. Er liebte seine Arbeit, sie machte ihm Spaß und verhinderte, dass er sich einsam fühlte. Über ein Jahrzehnt lang war er Soldat gewesen und an jeden Ort gegangen, zu dem Uncle Sam ihm einen Freifahrtschein gegeben hatte, doch inzwischen führte er ein ruhigeres Leben – oder es war doch zumindest etwas ruhiger geworden. Er arbeitete als Bodyguard für ein kleines, aber sehr exklusives Unternehmen. Von Zeit zu Zeit war er mit einer Rockband oder noch schillernderer Kundschaft unterwegs, hatte ein paar Waffen dabei, sah die Welt und verdiente damit seinen Lebensunterhalt.
    «Zu Reichtum werde ich es nie bringen», räumte er ein, «aber meine Arbeit macht mir Spaß, und das ist es, was für mich zählt.»
    Er erzählte von seinen liebsten Jagdausflügen, von dem neuen Jagdbogen, den er am Vortag gekauft hatte, und von seinem alten Geländewagen, an dem er schon endlos herumgeschraubt hatte. Er erzählte mir von seiner Familie, seinem Heimatort und seinen Zukunftsplänen.
    Wir trugen das Geschirr in die Küche und wuschen von Hand ab. Er stand neben mir und redete, während er das Geschirr abtrocknete und wegräumte. Wir betrachteten die Boote durchs Fenster und hörten den Hunden dabei zu, wie sie sich auf der Vorderveranda balgten.
    Ich dachte an Michael und unsere erste Begegnung, an jenes erste Gespräch damals, das Stunden gedauert hatte. Wie er wohl reagiert hätte, wenn er damals gewusst hätte, dass ich später mal mit einem anderen Mann zusammen hier sein und über alles Mögliche reden würde, ihn selbst eingeschlossen? Hätte es ihm etwas ausgemacht? Wäre er vielleicht zornig gewesen, dass ich so viel über ihn preisgegeben hatte? Wäre er eifersüchtig auf Tom gewesen? Oder vielleicht doch erleichtert?
    «Deine Gedanken wären mir glatt eine Gewehrkugel wert», flüsterte Tom mir ins Ohr. Ich musste lächeln, weil die Gewehrkugel bei uns inzwischen zum Running Gag geworden war.
    «Ich habe über Michael nachgedacht. Ich hab mich gefragt, wie er wohl auf unser Gespräch reagieren würde. Oder ob es ihm völlig gleichgültig wäre.»
    «Er wäre eifersüchtig», sagte Tom. «Weil nicht er das hier macht.»
    Tom kam zwei Schritte auf mich zu. Mit seinem phantastischen Körper drängte er mich in eine Ecke des Küchentresens. Er griff mir mit der Hand ins Haar, und bevor ich Atem holen konnte, lagen seine Lippen auf meinen.
    Meine Hände waren voller Seifenschaum. Über seiner muskulösen Schulter lag ein Geschirrhandtuch. Er rochnach Gewehröl und schmeckte nach Orangensaft. Seine Lippen waren anfangs vorsichtig. Sie ließen sich Zeit bei der Erkundung, entfernten sich aber nicht so weit, dass ich hätte protestieren können. Halbherzig versuchte
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