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Hart

Hart

Titel: Hart
Autoren: Gwen Masters
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Terrasse. Ich lebe eine Viertelmeile von hier am Fluss.»
    Wir sahen einander an und wussten nicht recht, was wir als Nächstes sagen sollten. Er kam wieder auf die Frage zurück, die ihm noch immer durch den Kopf ging. «Sie haben nicht gezuckt, als ich das Gewehr auf Sie gerichtet habe.»
    «Ich bin vollkommen furchtlos», erklärte ich.
    Er betrachtete mich misstrauisch und wusste nichtrecht, ob er mich ernst nehmen oder laut herauslachen sollte. Ich holte tief Luft.
    «Ich habe Liebeskummer», gestand ich ihm. «Sagen wir mal so: Eine Kugel ins Herz wäre vielleicht die einfachste Lösung.»
    Der Mann sah mich unverwandt an. «Sie würden sich lieber erschießen lassen, als ihn zu verlieren?», fragte er. Es war eine sehr direkte, klare Frage, die ohne Umschweife auf den Punkt kam.
    «Nein», antwortete ich automatisch, dachte dann aber noch einmal über meine Antwort nach. «Vor ein paar Monaten wäre ich vielleicht lieber gestorben, als auf ihn verzichten zu müssen. Aber inzwischen ist es wohl doch anders.»
    Er lächelte so offen und freundlich wie zuvor. «Heute wollen Sie bestimmt nicht sterben – der Kugel sind wir ja sozusagen schon ausgewichen. Außerdem dürfen Sie auf keinen Fall sterben, bevor Sie mich kennengelernt haben.»
    Ich lachte. «Gerade eben haben Sie versucht, mich zu erschießen. Und jetzt baggern Sie mich an?»
    «Das kommt darauf an. Bringt es denn was?»
    Ich schüttelte den Kopf, noch immer verblüfft von der Kühnheit dieses Mannes und den Umständen, unter denen wir uns begegnet waren. «Ich bin ehrlich gesagt noch nicht über meinen Ex-Freund hinweg. Da bringt es wohl nichts, mich anzubaggern.»
    «Erzählen Sie mir von ihm.»
    Ich stand auf. Der Mann erhob sich ebenfalls. Er war gut einen halben Kopf größer als ich und viel breiter, als es mir zunächst erschienen war. Er hätte durchaus furchteinflößend wirken können, hätte er nicht etwas von einem sanftmütigen Teddybären an sich gehabt.
    «Können wir nicht irgendwo anders hingehen? Mein Bericht könnte ziemlich lange dauern», bemerkte ich.
    «Gut», antwortete er. «Mir soll’s recht sein, wenn’s lange dauert.»
    Wieder lachte ich, und langsam wurde mir klar, dass ich schon seit Monaten nicht mehr so viel gelacht hatte. Die Anspannung, rief ich mir in Erinnerung. Das kommt von der Anspannung. Und der Todesschreck eben wird auch seinen Teil dazu beigetragen haben.
    «Wie heißen Sie?», fragte ich.
    «Tom.»
    «Darf ich Sie Tommy nennen?»
    «Nein.»
    «Okay. Ich heiße Kelley.»
    Er lächelte. In einer Wange hatte er ein Grübchen, und das ließ ihn plötzlich um Jahre jünger aussehen, als er war. «Du wolltest mir von deinem Ex-Freund erzählen, damit das schon mal erledigt ist. Und dann wolltest du mir von dir selbst erzählen. Erinnerst du dich?»
    Ich blickte aus dem Fenster und kam zu einem Entschluss. Die Hunde schnüffelten zu unseren Füßen herum. Die Sonne brach sich noch immer in den Gewehrschränken, doch inzwischen waren meine Augen daran gewöhnt. Durchs Fenster sah ich die Segelboote, die wie Spielzeugschiffchen durch die Flussschleife fuhren. Das Gewehr auf dem Couchtisch schien mir zuzuzwinkern, als ich es ansah.
    «Ob Ronnie wohl Bier im Kühlschrank hat?», überlegte ich laut.
    «Das lässt sich herausfinden.»
    Tatsächlich gab es Bier im Kühlschrank. Wir machten uns jeder eines auf und setzten uns an den Küchentisch. Die Hunde stürmten nach draußen, sichtlich zufrieden damit, dass alles in Ordnung schien. Tom hängte seine Jacke über die Stuhllehne. Seine Arme wölbten sich muskulös unter dem T-Shirt hervor. Seine Brust war mächtig und stark. Dies war der Körper eines Mannes, der viel trainierte.
    Plötzlich durchzuckte mich zu meiner Überraschung der schreckliche Gedanke an Michaels Hantelbank und das, was er darauf gern anstellte.
    Tom bemerkte, dass ich seine Arme anstarrte. «Ich arbeite vielleicht ein bisschen viel an meinen Muskeln», meinte er entschuldigend.
    «Das ist vollkommen in Ordnung.»
    «Du siehst nicht so aus, als ob du das wirklich so meinst.»
    Es fiel mir schwer, seinen Blick zu erwidern. Ich war mir sicher, dass er den Schmerz in meinen Augen sehen konnte. «Das ist eine lange Geschichte.»
    «Das sagtest du schon. Und ich habe viel Zeit.»
    «Ich schleppe einiges mit mir herum», sagte ich. «Warum willst du das hören?»
    Tom trank einen großen Schluck Bier. «Was tut man als Erstes, wenn man eine lange Reise vor sich hat? Man packt, nicht wahr? Und was tut
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