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Hart

Hart

Titel: Hart
Autoren: Gwen Masters
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überrumpeln lassen.
    Zwischen mir und der Kellertür lagen acht hohe Stufen. Ich stieg sie langsam hinunter und achtete darauf, am Rand zu bleiben und die Mitte zu meiden, wo das Holz knarrte. Mir war klar, dass das verrückt war und ich besser hätte weglaufen sollen. Ein Teil von mir wollte der immer schriller werdenden Stimme der Vernunft auch folgen. Aber einem anderen Teil war sie einfach scheißegal.
    Ich streckte die Hand aus und stieß die Tür auf. Sie öffnete sich lautlos. Sonnenlicht durchflutete den kleinen Raum am Fuß der Treppe. Es brach sich schimmernd im Stahl, der in den Gewehrschränken aufbewahrt wurde, und in deren Bleiverglasung. Das Licht blendete mich fast, und ich hob die Hand, um die Augen zu beschirmen.
    «Wer, zum Teufel, sind Sie?», knurrte eine tiefe Stimme. Er stand in der Ecke vor einem offenen Gewehrschrank, griff mit der einen Hand nach einem Gewehr und legte mit der anderen eine Pistole an. Die Mündung zeigte direkt auf mein Herz.
    Ich starrte das Gewehr an. Zusammen mit der jähen Erkenntnis, was ich getan hatte, überkam mich ein bestürzendes Gefühl des Friedens. Dieser Mann würde mich erschießen. Was mich schockierte, war das Ausbleiben von Todesangst.
    Dieser Mann würde mich erschießen, und mir war das vielleicht sogar gleichgültig.
    Langsam streckte ich die Hand aus und öffnete die Finger. Die Hausschlüssel klimperten. Ich bot sie ihm dar, als hielte ich einem scheuen Pferd einen Apfel hin. Als ich den Mund aufmachte, um etwas zu sagen, kam kein Wort heraus. Ich konnte nur die Pistole anstarren, und in meinen Ohren klang das verstörende Mantra:
    Mir egal. Mir egal.
    Langsam senkte er die Waffe. Der Schuss, den er nicht abgegeben hatte, schien durchs Haus zu hallen. Wir beide lauschten seinem Echo in der Stille. Ich riss die Augen von der Pistole los und ließ meinen Blick an der hochgewachsenen Gestalt des Mannes emporwandern. Seine Wangen waren unrasiert und seine misstrauischen braunen Augen fast unter dem Schirm einer zerbeulten Baseball-Kappe verborgen. Er kam auf mich zu und nahm mir den Schlüsselbund aus der Hand. Ich beobachtete ihn, wie er erst den Schlüsselbund ansah und dann wieder mich, mit entsetztem Blick.
    «Sie haben nicht mal gezuckt», sagte er schließlich.
    Wir beide blickten auf die Waffe in seiner Hand. Er kniete sich hin und schob sie langsam über die glänzende Tischplatte eines langen, niedrigen Couchtischs. Neben einer ausgestopften Wachtel blieb sie liegen. Seine Hand zitterte, als er die Pistole losließ. Er stand auf und sah mich an.
    «Sie haben nicht gezuckt», wiederholte er.
    «Was hätte das genützt?», fragte ich. Er lauschte meinen Worten hinterher und musterte mich mit seinen braunen Augen, als könnte er mich vollkommen durchschauen.
    «Nichts», antwortete er leise. «Ich bin ein verdammt guter Schütze.»
    Die Arroganz dieser Behauptung und sein sarkastisches Lächeln ließen etwas in mir aufbrechen, doch statt in Tränen brach ich in Gelächter aus. Ich sank auf den Boden, vergrub das Gesicht in den Händen und lachte so heftig, dass ich kaum noch Luft bekam.
    Bald darauf saß der Mann in dem Sessel, der mir am nächsten stand, und lachte ebenso laut wie ich. Die nervöse Anspannung im Raum legte sich. Als wir ausgelacht hatten, waren die Hunde durch die geöffnete Vordertür hereingekommen, um zu schauen, warum wir solchen Lärm machten. Ich wischte mir Tränen aus den Augen und blickte zu dem Mann auf, der mich beinahe erschossen hätte.
    Er war ein wenig älter als ich, aber nicht viel. Er hatte die Schultern und den Körperbau eines muskelbepackten Athleten. Die braunen Augen blickten jetzt nicht mehr misstrauisch. Er hatte die Kappe abgesetzt, und das dunkelbraune Haar fiel ihm etwas zu lang und zerzaust in die Stirn. Er war unrasiert. Doch sein Lächeln war freundlich und offen, und ich fragte mich, wie er überhaupt eine Waffe auf mich hatte richten können.
    «Was machen Sie hier?», fragte er mich.
    «Ich schaue nach dem Haus. Ich sollte jeden Tag hier herausfahren und nach den Hunden sehen. Einfach nur ein Auge auf alles haben. Und was tun Sie hier?»
    «Das hier ist mein Gewehr», sagte er und zeigte auf eine Waffe, die er aus dem offenen Gewehrschrank geholt hatte. «Und die Pistole gehört ebenfalls mir. Ronnie und ich gehen immer zusammen auf die Jagd. Ich habe auch einen Schlüssel für dieses Haus.»
    «Ich habe keinen Wagen gesehen.»
    «Ich bin mit dem Geländewagen gekommen. Der steht hinten bei der
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