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Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen

Titel: Harry Bosch 16 - Spur der toten Mädchen
Autoren: Michael Connelly
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hinüber.
    »Nein, nichts.«
    Er wollte in Anwesenheit des Verdächtigen nicht reden. Außerdem waren er und Chu noch nicht einmal ein Jahr lang Partner. Für Chu war es also noch etwas früh, um aus seinem Verhalten Rückschlüsse zu ziehen. Chu sollte nicht merken, dass er, was Boschs innere Unruhe anging, richtig getippt hatte.
    Jessup meldete sich vom Rücksitz zu Wort. Es war das erste Mal, dass er etwas sagte, seit er kurz hinter Stockton um eine Pinkelpause gebeten hatte.
    »Ich kann Ihnen schon sagen, was ist. Er hat keine Beweise gegen mich. Und er weiß ganz genau, das Ganze ist totaler Quatsch, und will deshalb nichts damit zu tun haben.«
    Bosch betrachtete Jessup im Rückspiegel. Er saß leicht vornübergebeugt, weil seine Handschellen mit einer Kette an seinen Fußfesseln befestigt waren. Sein Schädel war kahl rasiert, was bei Häftlingen, die damit Mitgefangene einzuschüchtern hofften, weit verbreitet war. Bosch nahm an, dass es bei Jessup sogar funktioniert hatte.
    »Ich dachte, Sie wollten nicht reden, Jessup. Haben Sie sich nicht auf Ihr Recht auf Aussageverweigerung berufen?«
    »Ach ja, stimmt. Dann halte ich mal lieber die Klappe und warte auf meinen Anwalt.«
    »Der ist in San Francisco. Das kann also noch dauern.«
    »Er ruft jemanden an. Das GJP hat überall im Land seine Leute. Wir waren darauf vorbereitet.«
    »Tatsächlich? Sie waren darauf vorbereitet? Heißt das, Sie haben in Ihrer Zelle alles zusammengepackt, weil Sie dachten, Sie würden woandershin verlegt? Oder haben Sie geglaubt, Sie kämen frei?«
    Darauf hatte Jessup keine Antwort.
    Bosch fuhr auf den 101, der sie über den Cahuenga Pass nach Hollywood brächte, bevor sie in Downtown ankämen.
    »Wie kam der Kontakt mit dem Genetic Justice Project zustande, Jessup?«, fragte Bosch in einem neuen Versuch, ein Gespräch in Gang zu bringen. »Sind die zu Ihnen gekommen oder Sie zu denen?«
    »Über die Website natürlich. Ich habe ihnen meinen Antrag geschickt, und sie haben sofort gesehen, was in meinem Fall alles schiefgelaufen ist. Daraufhin haben sie sich der Sache angenommen, und Sie sehen ja selbst, hier bin ich. Sie und Ihre Leute haben sie ja wohl nicht alle, wenn Sie glauben, Sie hätten auch nur den Hauch einer Chance. Ich bin schon mal von euch Arschlöchern reingelegt worden. Ein zweites Mal wird mir das nicht mehr passieren. In zwei Monaten ist alles vorbei. Ich habe vierundzwanzig Jahre eingesessen. Was sind da schon zwei Monate? Das treibt meine Buchrechte höchstens noch weiter in die Höhe. Wahrscheinlich sollte ich Ihnen und dem District Attorney sogar dankbar dafür sein.«
    Bosch blickte wieder in den Rückspiegel. Normalerweise wäre er über einen gesprächigen Verdächtigen begeistert gewesen. In den meisten Fällen redeten sie sich buchstäblich selbst ins Gefängnis. Aber dafür war Jessup zu clever und vorsichtig. Er achtete sehr genau darauf, was er sagte, vermied es, über die Tat selbst zu sprechen, und erweckte insgesamt nicht den Anschein, als würde er einen Fehler begehen, den sich Bosch zunutze machen konnte.
    Im Rückspiegel konnte Bosch sehen, dass Jessup aus dem Fenster schaute. Was in ihm vorging, war nicht zu erkennen. Seine Augen waren wie tot. Über seinem Kragen konnte Bosch den obersten Rand eines Knasttattoos erkennen. Es sah aus wie ein Teil eines Worts, aber sicher war er sich nicht.
    »Willkommen in L.A., Jessup«, sagte Chu, ohne sich umzudrehen. »Dürfte ’ne Weile her sein, hm?«
    »Du kannst mich mal, du schlitzäugiger Wichser«, rotzte Jessup zurück. »Nicht mehr lange, und diese Scheiße ist vorbei, und dann bin ich frei und haue mich an den Strand. Ich kaufe mir ein Longboard und gehe richtig geil surfen.«
    »Da wär ich mir mal nicht so sicher, Killer«, sagte Chu. »Sie wandern wieder in den Knast zurück. Wir verknacken Sie noch mal.«
    Bosch wusste, Chu wollte eine Reaktion aus Jessup herauskitzeln, einen Versprecher. Aber sein Manöver war zu leicht zu durchschauen, und Jessup war zu clever, um darauf hereinzufallen.
    Selbst nach sechs Stunden fast völligen Schweigens bekam Bosch das jetzige Hin und Her über. Er machte das Autoradio an und hörte noch den Schluss der Meldung über die Pressekonferenz in der Staatsanwaltschaft. Er drehte es sehr laut, damit Jessup es mitbekam und Chu den Mund hielt.
    »Williams und Haller wollten sich nicht zur Beweislage äußern, deuteten aber an, dass sie vom Ergebnis der DNA -Analyse keineswegs im selben Maß beeindruckt seien wie
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