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Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Titel: Harry Bosch 15 - Neun Drachen
Autoren: Michael Connelly
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über der Strandpromenade liegenden Terrasse man über das breiteste Strandstück von Venice auf den Pazifik hinaus blickte. Er bat Bosch und Chu, nach drinnen zu kommen und im Wohnzimmer Platz zu nehmen. Chu setzte sich, aber Bosch blieb stehen. Um bei der Vernehmung nicht von der Aussicht abgelenkt zu werden, kehrte er dem Fenster den Rücken zu. Er spürte nicht die Ausstrahlung, die er erwartet hatte. Lau schien nichts Ungewöhnliches daran zu finden, dass sie bei ihm auftauchten. Damit hatte Bosch nicht gerechnet.
    Lau trug Bluejeans, Slipper und ein langärmeliges T-Shirt mit dem Siebdruckbild eines langhaarigen Mannes mit einer Sonnenbrille und der Aufschrift THE DUDE ABIDES . Wenn er geschlafen hatte, hatte er in seinen Kleidern geschlafen.
    Bosch deutete auf einen kubischen schwarzen Ledersessel mit dreißig Zentimeter breiten Armstützen.
    »Nehmen Sie Platz, Mr. Lau, und wir werden versuchen, Sie nicht allzu lange aufzuhalten.«
    Lau war klein und hatte etwas Katzenartiges. Er setzte sich und zog die Beine auf den Sessel hoch.
    »Sind Sie wegen der Schießerei hier?«, fragte er.
    Bosch sah kurz Chu an und wandte sich dann wieder Lau zu.
    »Welche Schießerei meinen Sie?«
    »Na, die neulich vorne am Strand. Der Raubüberfall.«
    »Wann war das?«
    »Keine Ahnung. Vor zwei Wochen etwa. Aber das ist wahrscheinlich nicht der Grund, warum Sie hier sind, wenn Sie nicht einmal wissen, wann es war.«
    »Das ist richtig, Mr. Lau. Unsere Ermittlungen beziehen sich auf eine andere Schießerei, nicht auf diese. Wären Sie bereit, uns ein paar Fragen zu beantworten?«
    Lau hob die Schultern.
    »Keine Ahnung. Von anderen Schießereien weiß ich nichts, Officers.«
    »Wir sind Detectives.«
    »Gut, Detectives. Über welche Schießerei wollen Sie etwas wissen?«
    »Kennen Sie einen gewissen Bo-Jing Chang?«
    »Bo-Jing Chang? Nein, nie gehört.«
    Seine Überraschung wirkte nicht gespielt. Bosch gab Chu ein Zeichen, worauf dieser einen Ausdruck des Fotos, das bei Changs Festnahme gemacht worden war, aus seiner Aktentasche zog und Lau zeigte. Während Lau das Foto betrachtete, ging Bosch an eine andere Stelle des Zimmers, um ihn aus einem anderen Blickwinkel zu beobachten. Er wollte in Bewegung bleiben. Außerdem half es, Lau abzulenken und unachtsam zu machen.
    Nachdem Lau das Foto eine Weile studiert hatte, schüttelte er den Kopf.
    »Nein, nie gesehen. Um was für eine Schießerei geht es hier eigentlich?«
    »Überlassen Sie das Fragenstellen erst mal uns«, sagte Bosch. »Dann kommen wir zu Ihren. Ihre Nachbarin sagt, Sie sind Drehbuchautor?«
    »Ja.«
    »Haben Sie was geschrieben, was ich gesehen haben könnte?«
    »Nein.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Weil ich bis vor kurzem nichts geschrieben habe, was tatsächlich realisiert wurde. Deshalb gibt es keinen Film von mir, den Sie gesehen haben könnten.«
    »Aha, und wer zahlt dann diese schicke Wohnung hier direkt am Strand?«
    »Ich zahle sie. Ich werde fürs Schreiben bezahlt. Bis vor kurzem wurde nur noch nichts von mir realisiert. So was dauert seine Zeit, verstehen Sie?«
    Bosch stellte sich hinter Lau, und der junge Mann musste sich in seinem bequemen Sessel drehen, um ihn im Auge behalten zu können.
    »Wo sind Sie aufgewachsen, Henry?«
    »In San Francisco. Dann bin ich zum Studium hier runter gekommen und geblieben.«
    »Geboren sind Sie aber dort oben?«
    »Ja.«
    »Sind Sie Giants- oder Dodgers-Fan?«
    »Giants natürlich.«
    »Habe ich mir fast gedacht. Wann waren Sie zum letzten Mal in South L.A.?«
    Die Frage kam unerwartet, und Lau musste überlegen. Schließlich schüttelte er den Kopf.
    »Keine Ahnung. Das ist sicher schon fünf, sechs Jahre her. Jedenfalls eine Weile. Könnten Sie mir vielleicht langsam sagen, worum es hier geht? Dann kann ich Ihnen vielleicht auch helfen.«
    »Wenn also jemand behaupten würde, er hätte Sie letzte Woche dort unten gesehen, würde er lügen?«
    Lau verzog das Gesicht, als spielten sie ein Spiel mit ihm.
    »Entweder das, oder er hat mich mit jemandem verwechselt. Sie wissen doch, was man über uns sagt.«
    »Nein, was sagt man denn über Sie?«
    »Dass wir alle gleich aussehen.«
    Lau lächelte strahlend und sah Chu Bestätigung heischend an. Chu ließ sich jedoch nicht um den Finger wickeln und starrte nur ausdruckslos zurück.
    »Und in Monterey Park?«, fragte Bosch.
    »Meinen Sie, wann ich das letzte Mal dort war?«
    »Ja, das meine ich.«
    »Hm, ich war dort ein paarmal essen, aber es war die lange
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