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Harold - Einzlkind: Harold

Harold - Einzlkind: Harold

Titel: Harold - Einzlkind: Harold
Autoren: Einzlkind
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diesem Haus etwas verboten ist, dann sind es Briefträger, die, anstatt die Postsendungen in die dafür vorgesehenen Kästen zu werfen, schreien, als würde man ihnen die Fingernägel einzeln ausreißen. Ich sagte doch bereits, das ist Harold. Er übt nur! Und jetzt heben Sie die Briefe schön wieder auf und erledigen ihren Job. Ist Post für mich dabei? Cardigan, Mrs. Cardigan.«
    5
    Als Harold vor siebzehn Jahren in das mittelprächtige Haus auf der Golborne Road eingezogen ist, war der Fliederstrauch vor dem Küchenfenster nur ein kleiner Farbtupfer. Mittlerweile schluckt er im Frühling alle Sonnenstrahlen und streckt seine Zweige bis hoch in die erste Etage, wo Abraham Sinclair immer Dallas guckt. Es ist eine ruhige Gegend, nahezu Mittelschicht, mit einer Ausländerquote leicht über dem Durchschnitt, weshalb an heißen Tagen der süß-saure Duft von Hammelfleisch durch die Gassen und Vorgärten zieht und bei den Gebrechlichen für Atemnot sorgt. Im Sommer spielen die Nachbarskinder auf den asphaltierten Wegen Fußball oder Hooligans, und im Winter sind die Laternen manchmal den ganzen Tag an, weil sonst niemand mehr nach Hause finden würde. Lenny Ferguson gehört der schwarze Aston Martin, der Stolz des ganzen Viertels, mit einer eigenen Parkbucht vor Pauls Pharmacy, da sieht man ihn sofort, auch wegen des roten Hydranten. Was genau Lenny Ferguson macht, weiß man nicht, es muss aber etwas mit An- und Verkauf zu tun haben, da er Harold immer mit den gleichen drei Worten begrüßt: »Haschisch, Trips, Erdnussflips.«
    Mrs. Cardigan hält nicht viel von Lenny Ferguson, sie sagt, er sei eine zwielichtige Gestalt, genauso wie Hicham Annani, dem das kleine Gemüse-Imperium drei Häuser weiter gehört und dessen Waage mindestens 100 Gramm falsch gehe, insbesondere bei Steinpilzen. Für Harold ist dieser Umstand jedoch wenig von Bedeutung, da er als Achtjähriger beinahe an einer Pilzvergiftung gestorben wäre und er den Vorgang des Magenauspumpens, bei aller Wertschätzung für die technische Umsetzung, mit keinerlei positiven Empfindungen verbinden kann.
    Das Viertel aber gilt als relativ sicher, es sei denn, die Jugendgangs führen ihre Pitbulls aus oder der Premierminister kommt zu Besuch. So wie vor vier Jahren, als die heiße Phase des Wahlkampfs in ihren letzten Wehen lag und alles abgesperrt war, für die dunklen Limousinen und die ganzen Kamerateams, und ein Helikopter über den Dächern kreiste und Mrs. Cardigan ihr bestes Kostüm angezogen hatte und es Kebab mit Salat gab. Von überall her waren die Menschen gekommen, Stunden vorher hatten sie um die besten Plätze gekämpft, um ihre Fähnchen zu schwenken und vielleicht sogar den Premierminister berühren zu können, dieses eine Mal, die Macht zu spüren, dieses eine Mal, um in fünfzig Jahren den Enkelkindern davon erzählen zu können. Und groß war der Jubel, als der Ernstfall eintrat und der Premierminister aus seiner Limousine stieg und ein Stück des Weges zu Fuß erarbeitete, um Blumen zu empfangen, Hände zu schütteln, dem Volk ganz nahe zu sein.
    Auch Mrs. Cardigan hätte ihm gerne die Hand geschüttelt, wenngleich sie ihn hinterrücks als Dorftrottel mit dem Charme einer Sardinenbüchse bezeichnete. Rouge hatte sie aufgetragen, mehr als sonst, und eine weiße Nelke in ihr graues, zu einem Dutt geschwungenes Haar gesteckt. Doch der Premierminister hielt ausgerechnet vor Bradleys Friseursalon an, wo Lenny Ferguson sich mit körperlich fragwürdigem Einsatz in die erste Reihe komplimentiert hatte und den Moment kommen sah, sein aufstrebendes Kleingewerbe der breiten Masse bekannt zu machen und neue Käuferschichten zu erschließen. Lenny Ferguson, der Anlageberater der Genussmittelindustrie, Grandmaster Flash feinster Waren aus Holland, Nepal und Afghanistan, multilingual, Gucci, Dolce und Gabbana. Eine kaufkräftige Klientel zog vor seinen kurzsichtigen Augen auf, klopfte an seine Tür, morgens, mittags, abends, ein Kommen und Gehen wie im Zoo und er, Lenny Ferguson, war die große Attraktion, der Bill Gates unter den Orang Utans. Im Nebel der rosigen Zukunft tat er seinen Werbeslogan kund, aber der Premierminister schien kein Interesse an Erdnussflips zu haben, ganz im Gegenteil, er wandte sich mit fragendem Blick an seine Berater, die wiederum die Sicherheitskräfte von der Leine ließen, die wiederum Lenny Ferguson unsanft zur Seite schubsten, woraufhin ein kleiner Tumult entstand und Lenny Ferguson, ein Kämpfer vor dem Herrn, mehrfach mit
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