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Hard News

Hard News

Titel: Hard News
Autoren: Jeffery Deaver
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Einladung zu schätzen wusste, fand sie, dass es nicht so recht zu ihr passte, mit Leuten wie Mr. Dockers Segelschuh hier auszugehen, und hatte es vorgezogen, für die Spätnachrichten ein Feuer in Lower Manhattan zu filmen. Trotzdem fragte sie sich, ob er sie wohl noch einmal auffordern würde. Im Augenblick jedoch ergingen keine Einladungen, und jetzt schaute er einfach nur auf den Bildschirm und sah Randy Boggs’ hageres Gesicht. »Wer ist das?«, fragte er.
    »Er sitzt im Knast«, erklärte Rune. »Aber ich glaube, er ist unschuldig.«
    »Wie das?«, fragte Bradford.
    »Nur so ’n Gefühl.«
    »Rune«, sagte Das Model. »Wir haben’s eilig. Gehen wir.«
    »Das wäre ’ne echt gute Story«, sagte sie zu den beiden, »einen Unschuldigen aus dem Gefängnis zu befreien.«
    Der junge Mann nickte. »Journalisten, die gute Taten tun«, sagte er. »Um nichts anderes geht es.«
    Das Model indessen war weniger an guten Taten interessiert als an Ammoniak. »Brooklyn-Queens Expressway, Rune«, sagte er wie ein ungeduldiger Professor. »Sofort.«
    »Ach, der Tanklastzug«, sagte Bradford.
    »Siehst du?«, sagte das Model zu Rune. » Alle wissen Bescheid. Bewegung. «
    »Das ist ein gottverdammter Verkehrsunfall«, erhob Rune Einspruch. »Ich rede von einem Unschuldigen, der wegen Mordes im Gefängnis sitzt.«
    »Irgendwas ist tatsächlich an ihm dran …«, sagte Bradford mit einem Nicken in Richtung Bildschirm. »Der sieht mehr aus wie ein Opfer als wie ein Mörder, wenn ihr mich fragt.«
    Bevor sie ihm jedoch zustimmen konnte, zerrte Das Model sie entschlossen zum Aufzug. Sie fuhren ins Erdgeschoss des dreistöckigen Gebäudes, das einen ganzen Block auf der Upper West Side einnahm. Das Gebäude war früher eine Munitionsfabrik gewesen und vom Sender gekauft, abgerissen und wieder hochgezogen worden. Von außen wirkte es schäbig und düster und sah aus, als hausten tausend Obdachlose darin; im Innern beherbergte es eine elektronische Anlage im Wert von einer halben Milliarde und Fernsehlegenden. Ein großer Teil der Fläche war an den Lokalsender O&O vermietet, das meiste jedoch blieb dem Muttersender vorbehalten, der hier zwei Seifenopern, einige Talkshows, mehrere Sitcoms und natürlich die Network News produzierte.
    Aus dem Gerätelager neben der Parkgarage holte Rune eine Kamera. Rune und Das Model bestiegen einen Econoline-Kombi. Sie nahm den Türgriff und schwang sich hinein, wie sie es gerne machte, weil sie sich dann fühlte wie ein Pilot, der zu einem Einsatz startet. Der Fahrer, ein dürrer junger Mann mit einem langen blonden Zopf, streckte Rune den Daumen entgegen und ließ den Kombi an. Explosionsartige Klänge von Black Sabbath erfüllten den Wagen.
    »Stell die Scheiße ab!«, brüllte Das Model. »Und dann Abfahrt – wir haben Ammoniak auf dem BQE! Los, los, los!«
    Der Junge gehorchte, schaltete den Kassettenspieler aus und bog mit gefährlich quietschenden Reifen auf die Straße, als ginge es in die Schlacht für die gute alte Rockmusik.
    Auf der Fahrt durch Manhattan blickte Rune gedankenverloren aus dem Fenster auf die Leute auf der Straße, die ihrerseits dem Kombi mit seiner science-fiction-mäßigen Sendeschüssel auf dem Dach und den knalligen, schräg gestellten Buchstaben des Fernsehsenders an der Seite nachsahen. Die Leute blieben immer stehen und schauten, wenn so ein Auto vorbeifuhr, und fragten sich wahrscheinlich, ob es in der Nähe anhalten würde, ob etwas Aufsehen Erregendes passierte, ob sie vielleicht sogar selbst im Hintergrund einer Nachrichtensendung auftauchen würden. Manchmal winkte Rune ihnen zu. Aber heute war sie abgelenkt. Ihr tönte immer noch Randy Boggs’ Stimme in den Ohren.
    Das erste, was man denkt, ist: Verdammt, ich bin ja immer noch da …
    Ich bin immer noch da …
    Ich bin immer noch da.
    »Na, und wieso kann ich nicht einfach in ihr Büro gehen und mit ihr sprechen?«
    »Weil sie die Chefmoderatorin ist«, blaffte Das Model.
    Als sei damit alles gesagt.
    Rune trottete neben ihm durch den ausgetretenen Flur, der vom Aufzug zurück zum Nachrichtenraum führte. Der abgewetzte Teppich war meeresblau, die Firmenfarbe der Muttergesellschaft. »Und wenn schon. Sie wird mich ja nicht gleich feuern, nur weil ich mit ihr reden will.«
    »Na, wieso hörst du dann nicht auf, darüber zu reden, und lässt dir einen Termin geben?« Das Model war schlechter Laune, denn, ja, es war ein Ammoniak-Truck gewesen, und, ja, er war umgestürzt, aber niemand hatte dem Sender
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