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Hard News

Hard News

Titel: Hard News
Autoren: Jeffery Deaver
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der rechten Hand zwei Armbänder – eines davon silbern in Form zweier verschlungener Hände, das andere ein geflochtenes Freundschaftsband. An der einen Schulter baumelte eine Leopardenfelltasche; aus einer aufgeplatzten Ecke schaute ein tintenfleckiges Kleenex.
    »Wie eine Produzentin sehen Sie nicht gerade aus.«
    »Ich hab schon mal einen Film produziert. Eine Dokumentation. Sie lief letztes Jahr auf PBS.«
    »Das machen viele Filmstudenten. Diejenigen, die Glück haben. Vielleicht hatten Sie ja Glück.«
    »Wieso können Sie mich nicht leiden?«
    »Das deuten Sie nur so.«
    »Und, stimmt’s?«
    Sutton dachte darüber nach. Zu welchem Schluss sie auch gekommen sein mochte, sie behielt ihn für sich. »Sie müssen das verstehen. Das …« Sie wedelte unbestimmt mit der Hand in Runes Richtung. »… ist Déjà-vu. Das passiert hier ständig. Irgendjemand platzt hier herein – gewöhnlich nachdem er sich hinter dem Aktenschrank versteckt und gewartet hat, bis Sandy Kaffee holen geht.« Sutton zog eine Augenbraue hoch.
    »Und sagt: ›Ach, ich hab da so eine, also, Idee für eine tolle Nachrichtensendung oder eine Gameshow oder ein Special oder Gott weiß was.‹ Und natürlich ist die Idee total, total langweilig. Denn von Begeisterung erfüllte junge Leute sind total, total langweilig. Und in neun von zehn Fällen – nein, in neunundneunzig von hundert Fällen wurde diese tolle Idee bereits von Leuten erwogen und verworfen, die schon eine ganze Weile in der Branche arbeiten. Sie sehen also, hier sind schon Hunderte von Leuten genau wie Sie hereingeschneit und haben mir genau das Gleiche erzählt. Ach, und beachten Sie die korrekte Verwendung des Wortes ›also‹. Als Konjunktion. Nicht als Adjektiv.«
    Beide Telefone klingelten gleichzeitig, und Sutton fuhr herum, um die Anrufe entgegenzunehmen. Sie jonglierte eine Weile zwischen beiden hin und her, indem sie einen Finger mit kurz geschnittenem Fingernagel auf den Halteknopf rammte, wenn sie von einem zum anderen wechselte. Als sie auflegte, sah sie Rune vor sich in einem Sessel sitzen und mit den Beinen schlenkern.
    Sutton stieß einen scharfen Seufzer aus. »Habe ich mich etwa nicht klar ausgedrückt?«
    »Ich möchte eine Story über einen Mörder machen, der verurteilt wurde, nur dass er es nicht getan hat«, sagte Rune. »Ich möchte ihn mit meiner Story freibekommen.«
    Suttons Hand schwebte über dem Telefon. »Hier in New York?«
    »Jawoll.«
    »Das ist eine regionale Angelegenheit, keine nationale. Wenden Sie sich an den Direktor der Lokalnachrichten. Das hätte Ihnen gleich klar sein dürfen.«
    »Ich will, dass es in Current Events kommt.«
    Sutton blinzelte. Dann lachte sie. »Süße, das ist das Nachrichtenflaggschiff des Senders. Ich habe altbewährte Produzenten, die seit zwei Jahren mit Sendungen Schlange stehen und einen Mord dafür begehen würden, sie auf C.  E .bringen zu dürfen. Ihre also Story wird im Leben nicht in meiner Sendung laufen.«
    Rune beugte sich vor. »Aber der Typ hat schon drei Jahre im Staatsgefängnis von Harrison abgesessen – drei Jahre für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat.«
    Sutton schaute sie einen Moment lang an. »Woher haben Sie den Hinweis?«
    »Er hat einen Brief an den Sender geschrieben. Es ist echt traurig. Er sagt, er würde sterben, wenn er nicht rauskommt. Andere Gefangene wollen ihn umbringen. Ich bin jedenfalls ins Archiv gegangen und habe mir die alten Bänder über den Prozess angeschaut und …«
    »Wer hat das angeordnet?«
    »Niemand. Ich hab’s von selbst gemacht.«
    »In Ihrer Zeit oder unserer?«
    »Hä?«
    »›Hä?‹«, wiederholte Sutton spöttisch. Und fuhr fort, als müsste sie einem Kind etwas erklären: »War es während Ihrer Zeit oder während unserer Zeit, als Sie diese Hausaufgaben gemacht haben?«
    »Irgendwie in meiner Mittagspause.«
    » Irgendwie « , meinte Sutton. »Hm-mh. Nun, dieser Mann ist also unschuldig. Es werden eine Menge unschuldiger Menschen verurteilt. Das ergibt noch keine Nachricht. Es sei denn, er ist berühmt. Ist er berühmt? Ein Politiker, ein Schauspieler?«
    Rune blinzelte. Unter dem bohrenden Blick der Frau kam sie sich sehr jung vor. Brachte keinen Ton heraus. »Es ist irgendwie, es geht nicht so sehr darum, wer er ist, als um die Tatsache, dass er wegen eines Verbrechens verurteilt worden ist, das er nicht begangen hat, und dass er im Gefängnis einfach irgendwie verfault. Oder umgebracht wird oder so was.«
    »Sie glauben, er sei unschuldig?
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