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Hard News

Hard News

Titel: Hard News
Autoren: Jeffery Deaver
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zuzutreffen). Er verbrachte eine Menge Zeit vor Spiegeln. Niemand rasierte sich so wie Das Model.
    Rune arbeitete gelegentlich für ihn als Kamerafrau, und als sie ihm zum ersten Mal zugeteilt worden war, war er sich nicht ganz sicher gewesen, was er von der jungen Frau mit dem rotbraunen Pferdeschwanz halten sollte, die ein bisschen wie Audrey Hepburn aussah und nur knapp über einsfünfzig groß war und kaum mehr als fünfundvierzig Kilo wog. Dem Model wäre wahrscheinlich ein pickliger, kettenrauchender Techniker lieber gewesen, der schon bei Lokalnachrichten gearbeitet hatte, als es noch Sechzehn-Millimeter-Bolex-Kameras gab. Aber das Material, das sie lieferte, war sehr gut, und niemand war besser als Rune, wenn es darum ging, sich den Weg durch Polizeiabsperrungen und vorbei an der Backstage Security zu bahnen.
    »Was hast du denn da?«, fragte er mit einem Nicken in Richtung Monitor.
    »Ich hab den Brief hier auf meinem Schreibtisch gefunden. Von so ’nem Kerl im Knast.«
    »Kennst du ihn?«, fragte Das Model geistesabwesend. Er prüfte gewissenhaft nach, dass sein Gürtel nicht verdreht war, und steckte ihn danach durch die Plastikschnalle.
    »Nee. Er war an den Sender adressiert. Ist nur hier gelandet.«
    »Vielleicht hat er ihn ja schon vor ’ner ganzen Weile geschrieben.« Er nickte in Richtung des Bildschirms, auf dem Randy Boggs eingefroren war. »Sieht aus, als würde ihn ’ne Radiokarbon-Analyse auf neunzehnhundertfünfundsechzig datieren.«
    »Nee.« Sie tippte auf das Blatt. »Das Datum ist von vorgestern.«
    Das Model überflog den Brief. »Hört sich an, als ging’s dem Typ echt Scheiße. Der Knast in Harrison, hm? Besser als Attica, aber auch wieder kein Country Club. Also, mach dich fertig. Wir gehen.«
    Das Erste, was man denkt, ist: Verdammt, ich bin ja immer noch da …
    Das Model nahm einen Anruf entgegen. Er nickte. Schaute zu Rune. »Ist ja toll. Es handelt sich um einen umgestürzten Tanklastzug mit Ammoniak auf dem BQE. Junge, und das in der Rushhour. Ammoniak. Haben wir Glück, oder haben wir Glück?«
    Rune schaltete den Monitor aus und folgte Dem Model zu seinem überladenen Schreibtisch. »Ich denke, ich möchte zu ihr gehen.«
    »Zu ihr? Zu wem?«
    »Du weißt genau, wen ich meine.«
    Das Gesicht Des Models verzerrte sich zu einem faltenlosen Lächeln. »Doch nicht zu Ihr, mit dem großen I?«
    »Klar.«
    Das Model lachte. »Wozu?«
    Eines hatte Rune über Fernsehnachrichten gelernt: Behalte den Rücken frei und deine Ideen für dich – es sei denn, der Sender bezahlt dich dafür, dass du Ideen entwickelst, was bei ihr nicht der Fall war. »Karriereförderung«, sagte sie deshalb nur.
    Das Model war an der Tür. »Wenn du diesen Auftrag verpatzt, dann hast du keine Karriere mehr zum Fördern. Es geht um Ammoniak. Verstehst du?«
    »Ammoniak«, wiederholte Rune. Sie schlang ein gemustertes Seidenband um ihren Pferdeschwanz und zog eine schwarze Lederjacke an. Ihr übriges Outfit bestand aus einem schwarzen T-Shirt, einer gelben Stretchhose und Cowboystiefeln. »Lass mir einfach nur zehn Minuten Zeit, um zu Ihr mit dem großen I zu gehen.«
    Er nahm sie am Arm und führte sie zur Tür. »Bildest du dir ein, du kannst einfach so bei Piper Sutton ins Büro reinspazieren?«
    »Ich würd vorher anklopfen.«
    »Hm-mh. Gehen wir, Süße. Laufschritt. Die Höhle des Löwen kannst du aufsuchen, wenn wir zurück sind und den Schnitt fertig haben.«
    Eine Gestalt trat aus dem Flur, ein junger Mann in Jeans und einem teuren schwarzen Hemd. Die Haare trug er lang und wallend. Bradford Simpson war Praktikant, ein Journalistikstudent von der Columbia University, der in seinem ersten Studienjahr im Postzimmer angefangen hatte und nun etwas anspruchsvollere Jobs im Sender erledigte – wie Kaffee holen, Bänder ausliefern und gelegentlich tatsächlich einem Kameramann oder beim Ton zur Hand gehen. Er gehörte zu der wahnsinnig ehrgeizigen Sorte – mit diesem Teil von ihm konnte Rune sich identifizieren –, aber sein Ehrgeiz war darauf gerichtet, seinen Abschluss zu machen, sich in einen Brooks-Brother-Anzug zu schmeißen und in die Ränge des Edeljournalismus aufzusteigen. Bradford (»›Brad‹ höre ich eigentlich nicht so gern.«) war mit Ernst bei der Sache und beliebt bei O&O und dem Sender und wahnsinnig hübsch – auf eine spießige, provinzielle Art. Rune war schockiert gewesen, als er sie vor ein paar Tagen tatsächlich gebeten hatte, mit ihm auszugehen.
    Aber obwohl Rune die
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