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Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler

Titel: Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler
Autoren: Christiane Stella Harald;Bongertz Glööckler
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unter ständiger Beobachtung. Egal, wohin ich kam, jeder kannte mich. Oft hörte ich, wie jemand raunte: »Das ist der Sohn vom Glöckler.« Das lag natürlich einerseits daran, dass mich meine Mutter im Gasthaus dazu anhielt, immer brav jedem guten Tag zu sagen und die Hand zu geben. Schon allein dadurch lebte ich halb in der Öffentlichkeit.
    Aber da war noch etwas anderes. Ich stellte bald fest, dass ich eine bestimmte intensive Aura besaß. Viele Kinder entwickeln Strategien, um auf sich aufmerksam zu machen. Sie sind kleine Clowns oder Rabauken, oder Streber. Bei mir war das ganz anders. Ohne dass ich irgendetwas dazutun musste, hatte ich eine Ausstrahlung. Die brachte selbst wildfremde Leute dazu, sich nach mir umzudrehen. Als ich klein war, hörte ich oft: »Ach, das ist aber ein hübsches Kind.« Die meisten schauten allerdings nur. Vielleicht lag es daran, dass es mir schon immer komplett egal war, was andere von mir dachten. Ich war einfach ich.
    Diese Wirkung hatte ich nicht nur auf Erwachsene. Bei Kindern war es ähnlich. Ein paar empfanden mich dadurch instinktiv als Bedrohung und wollten mich ärgern. Die haben dann probiert, mich aufzuziehen, weil ich nicht Fußball spielte und mich nicht für Autos interessierte. Wenn das an mir abprallte, waren sie allerdings ratlos. Dann gab es Kinder, die akzeptierten mich einfach, wie ich war, und liebten auch meine Ideen. Wenn ich mit den Hausaufgaben fertig war, stand immer schon eine kleine Gang vor unserer Haustür und wartete ungeduldig auf mich.
    Meistens waren das die vier Kinder des Pfarrers: drei Jungs – Mick, Lars und Stefan – und ein Mädchen, Maria. Sie war bei uns »die Henne im Korb«. Das Pfarrhaus, unser Gasthof und der Bauernhof meiner Großeltern bildeten die Eckpunkte eines fast gleichschenkligen Dreiecks, in dessen Mitte die Klosterkirche lag.
    Oft hatte ich einiges zu schleppen, wenn ich herauskam: Ich brachte Gardinen und Tücher mit, die ich auf unserem Dachboden gefunden hatte, außerdem Stoffreste, die mir die Tante mitgegeben hatte. Dazu Bänder und Bordüren und viele große Sicherheitsnadeln. Manchmal traute ich mich auch und lieh mir ein paar von Mamas Pfauenfedern. Sie hatte Dutzende und machte immer ein großes Geheimnis daraus, woher sie stammten. »Die sind mir gegeben worden«, sagte sie höchstens. Sie liebte ihre Federn und drapierte sie wie Blumen in einer Vase in unserem Wohnzimmer. Wenn ich sie auslieh, achtete ich darum immer peinlich genau darauf, dass ihnen nichts passierte. Nicht auszudenken!
    Das Ziel von uns Kindern war meistens der Garten des Pfarrhauses, denn dort lag am hinteren Ende die »Spatzenburg«, ein kleiner aufgeschütteter Hügel von ein paar Metern Höhe, auf den einige Stufen hinaufführten. Oben wuchsen geduckte alte Bäume, in denen fast das ganze Jahr über Hunderte von dicken kleinen Spatzen hektisch herumhüpften und zwitscherten.
    Und dann legte ich los! Unter meinen Händen verwandelten sich die Nachbarsjungs in Prinzen und Maria in eine Königstochter. Meine Freunde wurden zu orientalischen Scheichs mit langen Gewändern, zur mysteriösen Haremsdame, zu Rittern und zum Burgfräulein, zu Cäsar und Kleopatra. Ich drapierte, knotete und steckte Stoffbahnen fest. Wir flochten Kränze aus Stoffresten als Kopfbedeckungen, knoteten Schärpen und benutzten Früchte, Ranken und Tannengrün als Schmuck.
    Die Prinzessin ist auf der Suche nach einem würdigen Prinzen. Doch die Kandidaten, die um ihre Hand anhalten, müssen sich zunächst als würdig erweisen und bringen Geschenke. Der erste legt ihr ein Paar Ohrringe aus rubinroten frischen Kirschen zu Füßen. Der nächste versucht es mit einem Haarkranz aus jungen, biegsamen Zweigen mit frischem Grün. Der dritte kommt mit leeren Händen. Als sie fragt, was er ihr zu bieten habe, sagt er, er werde sie immer auf Händen tragen und außerdem könne er tanzen. »Wann sollen wir heiraten?«, fragt die Prinzessin.
    Ich verkleidete die anderen nicht, unter meinen Händen wurden sie zu jemand anderem. Es war ein Zauber! Nicht nur meine Freunde verwandelten sich, auch die Umgebung. Die Schaukel wurde zum Thron, die Gartenliege zur Sänfte. Die »Spatzenburg« war einmal eine mittelalterliche Festung, dann ein Zuckerbäcker-Schloss, ein Palast der Antike oder einfach nur ein Tanzsaal. Damals habe ich zum ersten Mal die Magie der Mode gespürt. Kleidung ist nicht einfach nur Stoff, sie kann die Seele berühren und glücklich machen. Sie ist nicht nur schöner
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