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Happy End am Mittelmeer

Happy End am Mittelmeer

Titel: Happy End am Mittelmeer
Autoren: Raye Morgan
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immer Sie auch hergekommen sind.“
    „Tut mir leid.“ Immer noch benommen schüttelte Ayme den Kopf. „Das ist unmöglich. Der Flieger, in dem wir saßen, ist schon längst weg.“ Sie schaute zu der friedlich im Schubkasten schlummernden Cici. „Die Kleine hat fast den ganzen Flug über geschrien. Von Texas bis hier“, ergänzte sie, in der Hoffnung, wenigstens sein Mitleid zu erwecken. „Verstehen Sie, was das bedeutet?“
    Statt eines Zeichens von Anteilnahme runzelte er die Stirn wie jemand, der an einer komplizierten Frage herumrätselte. „Sie sind mit einem Direktflug aus Texas gekommen?“
    „Nun ja, nicht ganz. In New York mussten wir umsteigen.“
    „Texas?“, wiederholte er leise, als könne er es nicht glauben.
    „Texas“, wiederholte sie langsam, falls er Probleme mit dem Wort haben sollte. „Sie wissen schon, der Staat mit dem einen Stern in der Flagge. Der große, im Süden, neben Mexiko.“
    „Ich weiß, wo Texas liegt.“
    „Gut. Wir sind da nämlich sehr empfindlich bei uns zu Hause.“
    „Sie hören sich auch an wie eine Amerikanerin.“
    Ayme blickte ihn unschuldig an. „Klar doch. Wie sollte ich mich sonst anhören?“
    Wie gebannt sah er auf ihre Ohrringe. Verunsichert berührte sie einen davon mit den Fingerspitzen. Was interessierte ihn so daran? Der Schmuck war das Einzige, was ihr noch von ihrer leiblichen Mutter geblieben war, und sie trug ihn immer. Sie wusste, dass ihre Eltern aus dem kleinen Inselstaat Ambria stammten und dort gelebt hatten. Genau wie ihre Adoptivfamilie, aber das war lange her.
    Aber schließlich stand ihre Anwesenheit hier in unmittelbarem Zusammenhang mit Ambria. Das würde er natürlich rasch erfahren. Dennoch machte sie sein starkes Interesse irgendwie nervös. Wahrscheinlich war es besser, zum Thema Cici zurückzukehren.
    „Wie ich schon sagte, der Flug war kein Vergnügen für Cici, und das ließ sie jedermann während der gesamten Atlantiküberquerung wissen.“ Seufzend erinnerte Ayme sich an die langen Stunden. „Alle an Bord hassten mich. Es war schrecklich. Wieso bekommen Menschen überhaupt Babys?“
    Er riss die Augen auf und hob demonstrativ eine Braue. „Keine Ahnung. Verraten Sie es mir.“
    Ayme schluckte. Das war ein Fehler gewesen. Einen solchen Schnitzer konnte sie sich nicht leisten. Er hielt Cici für ihr Baby, und das sollte er auch weiterhin glauben, zumindest vorerst. Sie musste mehr aufpassen.
    Wenn sie doch besser schauspielern könnte! Ach, wahrscheinlich hätte selbst ein Profi bei diesem Auftritt Probleme gehabt. Schließlich hatte sie während der letzten Woche viel durchgemacht. Vor wenigen Tagen war sie noch eine ganz normale, frisch gebackene Rechtsanwältin gewesen, die in einer auf ambrisches Einwanderungsrecht spezialisierten Kanzlei gearbeitet hatte. Und plötzlich war ihre Welt eingestürzt. Unglaubliche Dinge passierten, Dinge, die sie nicht einmal zu denken gewagt hätte. Dinge, mit denen sie sich wohl befassen musste, aber nicht jetzt. Jetzt noch nicht.
    Nach wie vor hatte sie Angst, dass nichts je wieder normal würde. Ihr Leben hatte eine solch enorme Wendung genommen, dass sie sich wie in einem Albtraum fühlte. Sie konnte resignieren, sich ins Bett legen und bis auf Weiteres die Decke über den Kopf ziehen – oder sie versuchte, sich darum zu kümmern, was von ihrer Familie noch übrig war, und die kleine Cici dorthin zu bringen, wo sie hingehörte.
    Die Entscheidung erübrigte sich natürlich. Sie war daran gewöhnt, das zu tun, was man von ihr erwartete, und verantwortungsbewusst zu handeln. Und jetzt war sie eben hier und würde zielstrebig das zu Ende bringen, was sie sich vorgenommen hatte.
    Sowie ihre Aufgabe erfüllt war, würde sie mit einem Seufzer der Erleichterung nach Texas zurückkehren und versuchen, die Scherben ihres Lebens wieder zu kitten. Bis dahin aber musste sie – dem kleinen Leben in ihrer Obhut zuliebe – stark bleiben, ganz egal, wie schwer es auch werden würde.
    Und so lange, das wusste sie, musste sie auch lügen. Obwohl es gegen ihre Natur war. Normalerweise gehörte sie zu jenen Menschen, die jedem offenherzig ihre Lebensgeschichte erzählten. Aber diesen Impuls musste sie jetzt unterdrücken.
    Aber es war eine schmerzliche Lüge. Die Welt um sie herum musste glauben, dass Cici ihr Baby war. Sie war zwar noch nicht lange Rechtsanwältin, aber sie kannte sich gut genug aus, um zu wissen, dass es ihren ganzen Plan gefährdete, wenn jemand herausfand, dass Cici nicht zu ihr
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