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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter
Autoren: Sabine Weiß
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hat.«
    Jetzt mischte sich auch Helmold ein: »Nicht nur, dass Nikolas Vresdorp hurt und spielt, dass er mit seinen Kleidern und seinemGeld protzt, das tun andere auch. Er sucht sich auch unschuldige einheimische Mädchen und nutzt sie zu seinem Vorteil aus.«
    Simon merkte auf. »Was meinst du damit?«
    Helmold zwirbelte eine Strähne zwischen den Fingern. »Na, Ellin. Ihr Vater war Krämer. Da die Hansen in Bergen keinen Kleinhandel treiben dürfen, bändelte Nikolas Vresdorp mit ihr an und lässt sie seine Sachen verkaufen, macht ihr sogar ein Kind, wenn man den Gerüchten trauen kann. Und ihr Mann, der als Norderfahrer auf dem Weg zu den Lofoten sein Leben riskiert, ahnt nichts davon«, brach es aus dem jungen Mann heraus.
    Simon ließ sich in seinem Stuhl zurücksinken. So stimmte Nikolas’ Behauptung über Ellin? Hatte sie sich deshalb so gefreut, Nikolas wiederzusehen? Konnte Henk tatsächlich Nikolas’ Sohn sein? Doch jetzt schien sie Angst vor Nikolas zu haben. Was war seitdem geschehen?
    Gudrid kam mit reich gefüllten Schalen zu ihnen, die sie zwischen die Männer stellte. Während des Essens plauderten sie, und schließlich kamen sie auf das Leben im deutschen Hof zu sprechen.
    »Wenn ihr mich fragt, ist das unnatürlich. All diese Männer, die da aufeinanderhocken, monatelang ohne Frau. Es ist doch kein Wunder, dass die Unzucht hier überhandnimmt«, sagte Gudrid frei heraus.
    Bernhard Steding schnalzte missbilligend. »Aber Mutter!«
    Die Frau zog unbeirrt ihr Gebende fester. »Ist doch so. Diese Quälereien, diese sogenannten Spiele. Wenn die Männer in der Tyskebrygge mit ihren Ehefrauen leben würden, würde es das nicht geben, das glaub mir ruhig.«
    Bernhard und seine Vettern Helmold und Hanseken grinsten sich gutwillig an.
    »Tja, vielleicht hast du recht«, stimmte Bernhard ihr zu, während ein Schatten über sein Gesicht zog. »Jetzt bald, nach Pfingsten, ist es wieder so weit.« Die jungen Männer horchtenauf. »Da gibt es nicht nur das Wasserspiel, bei dem die Neulinge mit Ruten aus Maigrün geprügelt und ins Meer getaucht werden, bis ihr Blut das Wasser rötet und sie fast ertrinken, sondern drei Tage später auch das Borg- oder Staupspiel. Dabei wird im Schütting eine Art Hütte errichtet, die sie Paradies nennen   – was für ein Frevel, es ist nichts Christliches daran!   –, in der die Neulinge noch einmal durchgeprügelt werden. Vorher wird ihnen ein Tuch um den Kopf gelegt, damit sie ihre Peiniger nicht erkennen. Auch spielen die Trommler und Pfeifer auf, damit man das Geschrei der Gequälten nicht hört. Drumherum gibt es viel Essen und viel Bier, und auch die Spaßmacher sind wieder dabei. Sofern man sich an den Späßen von Narr, Bauer und Bäuerin denn ergötzen kann.«
    Simon kratzte angespannt an einem Pickel auf seiner Wange, bis er bemerkte, dass alle ihn besorgt ansahen. Sie wussten also von den Drohungen seines Vetters.
    Gudrid sog die Luft durch eine Zahnlücke ein und sah den Jungen mitleidig an. »Können wir ihn nicht einfach verschwinden lassen? Er könnte sich doch hier verstecken«, schlug sie vor.
    Simon schüttelte entschlossen den Kopf. »Ich bin kein Feigling«, sagte er und schob das Kinn vor.
    Bernhard Steding nickte nachdenklich. »Natürlich nicht, das hast du nicht erst im Sturm bewiesen. Aber vielleicht sollten wir doch Vorkehrungen treffen   ...«
    Liv nickte ernst. »Ich bin auch dabei.«
    ~~~
    Direkt nach dem Pfingstfest wurden alle Neuankömmlinge mit einem Karren voller Essen und Trinken in den nahegelegenen Wald geschickt, um Maigrün zu holen. Auch Simon musste mit, weil er an diesem Spiel ja noch nie teilgenommen hatte. Am nächsten Tag wurden sie in langen Kähnen auf das Meer bis naheans Schloss gerudert. Die Gesellen und einige der Kaufleute, darunter natürlich auch Nikolas, trugen Peitschen, die sie aus den Maibäumen zurechtgemacht hatten. Die Neulinge mussten sich entkleiden, dann wurden sie abwechselnd unter Wasser getaucht und ausgepeitscht. Auf der nassen Haut schmerzten die Schläge besonders, aber Simon hielt durch, wohl, weil ihn dieses Mal der Gesellenobmann Otte bearbeitete, so dass es bei ihm glimpflich abging. Auch waren Liv und Helmold mitgekommen, damit sie zur Not eingreifen könnten. Nikolas hielt sich erstaunlicherweise von Simon fern. Er konnte kaum glauben, dass er es so gut überstand. Doch als sie nach einer abschließenden Wettfahrt mit den Kähnen wieder anlandeten und auf dem Weg zur Feier im Hof nebeneinander
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