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Hansetochter

Hansetochter

Titel: Hansetochter
Autoren: Sabine Weiß
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hergingen, raunte Nikolas ihm etwas zu, das Simon den kalten Schweiß ausbrechen ließ.
    »Du verstehst sicher, dass ich mich zurückgehalten habe. Hier, in aller Öffentlichkeit. Aber du sollst wissen, dass ich dir deinen Lohn zahlen werde. Mit Rute und Peitsche. Bis du im Paradies landest. Oder eben in der Hölle.« Nikolas lachte Simon an. Sein Gesicht wirkte verzerrt, wie eine Teufelsfratze in der Kirche.
    Simon lief ein Schauder über den Rücken, als er seinem Vetter nachsah. In drei Tagen würde das nächste Spiel stattfinden. Im Schutze der Dunkelheit, und noch dazu vor aller Augen verborgen, würde Nikolas ungestraft zuschlagen können.
    Leben oder sterben   – mehr Möglichkeiten gab es für Simon nicht. Und er wollte leben.

30
    Lübeck, Juni 1376
    H enrike hielt ihre Handfläche mit dem Safran ins Licht, pickte mit den Fingerspitzen einige Fäden heraus und prüfte sie. Wie sie es sich schon gedacht hatte, waren sie gefälscht. Sie ließ sie in den Sack zurückrieseln und sah den Händler an. Sie spürte eine gewisse Sympathie für ihn. Er war jung und unbedarft. Er hatte nur kleine Mengen zusammengewürfelter Waren, möglicherweise hatte er sie von einem Kaufmann übernommen, der verstorben war. Vielleicht war es seine erste Handelsreise.
    »Vermutlich wisst Ihr nicht, dass dieser Safran gefälscht ist, sonst müsste ich Euch Böswilligkeit unterstellen und beim Rat anzeigen. Warenfälschung wird hart bestraft«, sagte sie ruhig.
    Der junge Mann erschrak sichtlich.
    »Den Pfeffer würde ich Euch allerdings abnehmen, wenn Ihr mir einen guten Preis dafür macht.«
    Ihr Blick wurde von einer Bewegung an der Kellerluke angezogen. Zwei Männer standen dort, blickten hinein, Schattenrisse ohne Gesichter im Gegenlicht. Sie hatte sie eben schon vorbeigehen sehen. Unwillkürlich kontrollierte sie, ob unter dem Tisch ihr Dolch lag. Die Ereignisse der letzten Monate hatten ihre Spuren hinterlassen. So sehr sie sich auch bemühte, überfiel sie doch immer wieder die Angst. Stets fürchtete sie, dass Rotger oder Nikolas wieder auftauchen könnten, um Rache an ihr zu nehmen. Der Händler war verunsichert, fragte sie im Gegenzug, was sie sich vorstelle. Henrike schlug einen Preis vor, der etwas niedriger war, als sie zu zahlen bereit wäre. Wie zu erwarten gewesen war, gab sich der Kaufmann empört, das also hatte er bereits gelernt.
    »Das ist Raub! Selbst, wenn ich Euch den Pfeffer für das Doppelte lassen würde, zahlte ich dabei drauf.«
    Henrike lächelte ihn unverbindlich an, eine erneute Bewegung an der Tür ließ das Lächeln jedoch schnell verkümmern. »Dann kommen wir nicht ins Geschäft. Versucht woanders Euer Glück.«
    Der Händler überlegte, kam ihr dann entgegen und bot zudem ein kleines Fass Honig als Upgift an. Henrike schlug ein. Sie suchte das Geld heraus, notierte sich Zahlen und Waren in ihrem Handelsbuch. Sie hatte weniger ausgegeben als sie vorgesehen hatte, stellte sie zufrieden fest. Der junge Mann packte seine restlichen Waren zusammen und verließ den Kaufkeller, auch den Beutel Safran nahm er mit. Henrike fragte sich noch, ob es richtig gewesen war, ihn nicht anzuzeigen, als die beiden Männer, die vor dem Haus gelungert hatten, durch den Türeingang traten. Noch immer konnte Henrike ihre Gesichter nicht erkennen. Sie griff unter den Tisch und war kurz davor, Adrian zu rufen, der oben im Speicher arbeitete. Die Cruceborch war vor einigen Tagen aus Brügge zurückgekehrt und hatte nebst anderen Waren flandrische Tücher, Atlasseiden, Samte und Tuche von Damaskus mitgebracht, die sehr gefragt waren.
    »Siehst du diese geschäftstüchtige und schöne Frau? Ob sie wohl auch mit unseren Waren unzufrieden sein wird?«
    Henrike stand wie versteinert, dann begannen ihre Hände zu beben. Wieder und wieder hallten die Worte in ihr nach. Diese Stimme hatte sie schon einmal gehört. Aber die Gestalt, so groß und schmal, kam ihr nicht bekannt vor. Und der andere? Sie vergaß ganz den Dolch einzustecken, ging langsam auf die Männer zu.
    »Zumindest sollten wir aufpassen, dass sie uns mit ihrer Schönheit nicht den Kopf verdreht. Kaufleute sollten immer ihre Sinne beieinander halten, wie wir wissen.« Ein Lachen, jung und fröhlich.
    »Nein, Freund, von dieser Kauffrau haben wir nichts zu befürchten«, sagte die altvertraute Stimme.
    »Simon!« Glücklich auflachend fiel sie ihrem kleinen Bruder um den Hals.
    So lange hatte sie auf diesen Moment gewartet, hatte sich Tag um Tag um ihn gesorgt   –
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