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Halva, meine Sueße

Halva, meine Sueße

Titel: Halva, meine Sueße
Autoren: Ellen Alpsten
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Café. In ihm pulsierte nur ein einziger
Gedanke: Er musste sie aufhalten!
    Kai fuhr wie der Teufel. Die A8 flog an ihm vorbei und er
bediente die Lichthupe permanent. Ihm war, als säße er in
einem schalldichten Raum, einer Rakete, die ihn zu Halva
bringen würde. Schneller! Er durfte einfach nicht zu spät
kommen! Achtung, es ist Glatteis, dachte er kurz, verscheuchte
den Gedanken aber sofort. Glatteis, Quatsch, das
Sonnenlicht spiegelte sich auf der Autobahn, das war alles.
Wie von Sinnen drückte er weiter aufs Gas und drängte
einen Fahrer nach dem anderen von der linken Fahrbahn.
    Der Münchner
Franz-Josef-Strauß-Flughafen
kam mit seiner
futuristischen, kahlen Architektur in Sicht. Kai setzte den
Blinker und riss den Wagen auch schon rüber. Er war viel
zu schnell. Mit noch immer gut hundert Sachen raste er in
die Ausfahrt. Die Fliehkraft trug ihn beinahe aus der Kurve,
und die Betonwand der Unterführung kam ihm gefährlich
nahe, ehe er die Kontrolle über den Wagen zurückgewann.
Schweiß brach ihm aus allen Poren und er zwang sich abzubremsen.
    Das Blut rauschte durch seine Adern, und er stand unter
Hochspannung, als er wieder beschleunigte und das zornige
Hupen der anderen Autos ignorierte. Mit quietschenden
Reifen kam er einige Minuten später auf dem Parkstreifen
direkt vorm Terminal zum Stehen, der eigentlich nur für
Taxis und zum kurzen Halten gedacht war. Kai sprang aus
dem Wagen und rannte ins Flughafengebäude hinein. Auf der Anzeigetafel ratterten Buchstaben und Zahlen durch
und er las:
Bitte zum Gate gehen, Boarding, Bitte Warten.
Kai
suchte sich durch den Wust an Städten und Ländern – mussten
denn all diese Menschen wirklich ständig überall hin
fliegen!? – bis er es endlich fand:
Pegasus Air,
Teheran.
    Bitte zum Gate gehen,
stand auf der Anzeige. Kais Herz
sank. Er war zu spät gekommen. Halva war gewiss schon am
Gate. Oder? Wenn sie den Zug genommen hatte, dann gab
es noch eine Chance, denn allein die S-Bahn von München
Hauptbahnhof brauchte eine Dreiviertelstunde, bis sie hier
draußen ankam.
    Er musste versuchen, sie abzufangen. Koste es, was es
wolle!
    Kai rannte los, die Rolltreppe nach oben zu den Abflughallen
und dann die hundert Meter bis zur Sicherheitskontrolle.
Seine Lunge stach und sein Magen schmerzte. Am
meisten aber brannte sein Herz. Halva. Weshalb war sie
einfach so gegangen? Wie konnte sie ihn nach ihrer ersten
gemeinsamen Nacht so allein lassen?
    Er kam an der Sicherheitskontrolle an, wo ein Beamter die
Bordkarten der geduldig wartenden Reisenden kontrollierte.
Verdammter Mist!
    Er sprang einige Male auf und ab, um über die Köpfe der
Menge hinwegzusehen. Da war sie! Sie trug ihren Mantel
und den dunklen Paschmina. Doch sie hatte ihn nicht, wie
sonst, um den Hals, sondern um den Kopf gewickelt. Kais
Atem stockte. Sie sah bereit aus zur Reise in den Iran!
    »Halva! Halva!«, schrie er aus vollem Hals, sodass sich die
Leute nach ihm umdrehten. Alles schaute, nur sie hob den
Kopf nicht. »Halva«, schluchzte er.
    »Geh nicht, Halva!« Tränen strömten über Kais Gesicht,
als er sich rücksichtslos an den Wartenden vorbeidrängte.
    »He, was soll das! Wir haben auch einen Flug zu erwischen!
« und »Hinten anstellen!«, riefen die Leute, doch Kai
war es egal. »Halva!«, schrie er wieder, war sich aber nicht
sicher, ob sie ihn gehört hatte.
    »Ihre Bordkarte«, sagte der bullige Kontrolleur gelangweilt.
    »Ich habe keine. Ich muss zu meiner Freundin!«
    Jetzt sah der Mann auf. »Ohne Bordkarte kommen Sie
hier nicht durch«, schnarrte er und stand auf. Er überragte
Kai um einen ganzen Kopf und dieser trat ein paar Schritte
zurück. Andere Reisende drängten sich nun wieder an ihm
vorbei, und Kai sah, wie Halva ihre Tasche auf das Förderband
legte und den Schal noch einmal löste. Ihre Haare fielen
voll und glänzend auf ihre Schultern.
    Sein Herz wollte vor Schmerz stehen bleiben. Was-tat-sie-da?
    »Halva!«, schrie er mit voller Kraft.
    Kai duckte sich unter die Absperrbänder und lief zu der
Glasscheibe, durch die man die Sicherheitskontrolle beobachten
konnte.
    Eine Familie winkte ihren Großeltern hinterher, als Kai
mit den Fäusten gegen das Glas trommelte.
    Sie hatte ihn noch immer nicht gehört! Gerade ging sie
durch den Metalldetektor und packte dann die Plastiktüte
mit ihren Kosmetikartikeln zurück in ihre Tasche. Kai sah,
wie ihre langen Finger den Reißverschluss der Tasche schlossen.
Dann begann sie, sich den Paschmina wieder eng um
den Kopf zu wickeln.
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