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Halsknacker

Halsknacker

Titel: Halsknacker
Autoren: Stefan Slupetzky
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und steht schnaufend auf. »Herr Kommissar?«
    »Nur Polivka, Herr Krutitz. Polivka, ganz ohne Künstlername.«
    Die Herren nehmen Platz; der Polivka bestellt ein Achtel Rot beim weißen Arbeitskittel. Man greift schweigend zu den Zigaretten.
    »Ich gehe davon aus, dass Sie des Mörders noch nicht habhaft sind«, beginnt Paul Krutitz endlich das Gespräch, »was ich betrüblich finde, weil ich diesen Unhold gerne hinter Gittern sähe. Hudak war ein Mann, dem ich, wenn schon nicht Zuneigung, so doch Respekt entgegenbrachte.«
    Der Polivka horcht auf. Dass sich ein Freistilringer namens Pawel Gulag Krutnikow so gewählt ausdrückt, lässt ihn staunen.
    »Wenn ich also in der Lage bin, zur Lösung dieses Falles mein Scherflein beizutragen, will ich es mit Freuden tun.«
    »Vielen Dank, Herr Krutitz. Sagen S’ mir doch bitte erst einmal, ob Sie den Karl Hudak in der letzten Zeit gesehen haben.«
    »Nein. Es hat sich, wenn ich mich nicht irre, vor drei Jahren zum letzten Mal ergeben, dass wir einander zu begegnen das Vergnügen hatten. Unsere Beziehung war sporadisch, auf dem Zufall aufgebaut. Wer Hudak suchte, wusste ohnehin, wo er zu finden war: in diesem Raum, an diesem Tisch.«
    »Verstehe. Und die Catcher? Haben Sie mit dem einen oder anderen noch Kontakt?«
    »Ich wüsste nicht, mit welchem. Bis vor Kurzem stand ich noch im brieflichen Verkehr mit Sam Wolinsky, einem gebürtigen Polen, der später nach Amerika gegangen ist. Aber Sam, der Kinderfresser Wolinsky ist bedauerlicherweise letztes Jahr verstorben.«
    »Und der Watzinger? Der Gustav Watzinger?«
    Paul Krutitz lächelt milde. »Unser Gusti … Nein, mit Gustav Watzinger bin ich seit vielen Jahren nicht mehr zusammengetroffen. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Der Kollege Watzinger war mir nicht zugetan.«
    »Warum nicht?«
    »Nun, es kommt bisweilen zu Animositäten, wenn sich Kämpfer gegenüberstehen. Die Sympathie ist auch bei rauen Männern nur ein zartes Pflänzchen.« Krutitz greift zu seinem Krügel, trinkt. »Sie müssen wissen«, fährt er fort und wischt sich den Bierschaum vom Mund, »dass das auch der Grund für seinen frühen Abschied vom Ringersport war. Im Sommer 1979 hat er einen Titelkampf verloren, und das, so scheint mir, hat er nicht verwunden.«
    »Das versteh ich nicht. Ich dachte, dass die Kämpfe vorher abgesprochen waren.«
    »Das waren sie in der Regel auch. Nur damals hat das Schicksal eben andere Wege eingeschlagen. Watzinger hätte gewinnen sollen, aber sein Gegner war einfach zu stark für ihn; er hat ihn in der Hitze des Gefechts vernichtet.« Krutitz grinst verschmitzt.
    »Und dieser Gegner«, sagt der Polivka, dem jetzt ein Licht aufgeht, »sind Sie gewesen: Pawel Gulag Krutnikow.«
    Paul Krutitz nickt. »Es war kein hochklassiger Kampf. Zuerst das übliche Geplänkel: Ohrenreiberl, Wampenklatscher und diverse Schmähungen. Erst in der dritten Runde sind wir zunehmend in medias res gegangen. Watzinger hat einen Armschlüssel angesetzt, den ich im Handumdrehen zu parieren in der Lage war. Worauf er es mit seinem unbestrittenen Paradegriff, dem Halsknacker, versucht hat, der für diesen Zeitpunkt aber nicht von uns vereinbart worden war. Ich habe das als Kriegserklärung aufgefasst und Watzinger mit einem lupenreinen Ausheber über die Seile geschickt. Er ist nicht fachgerecht gefallen, und, obwohl er augenblicklich wieder auf den Beinen war, benommen vor den Sitzreihen herumgetorkelt. Dabei hat er wüst das Publikum beschimpft, statt wieder in den Ring zu steigen. Also hat ihn der Kampfrichter ausgezählt und mir den Meistergürtel überreicht. Der Ringrichter war übrigens«, Paul Krutitz sieht den Polivka bedeutungsschwanger an, »kein anderer als Karl Hudak.«
    »Hudak«, murmelt der Polivka. »Halsknacker«, fügt er gedankenverloren hinzu.
    »Kollege Watzinger war außer sich vor Zorn, auch nachher in der Garderobe noch. Am nächsten Abend ist er ausgeblieben, auch am übernächsten. Erst drei Tage später hat uns der Veranstalter darüber informiert, dass unser Fräulein seinen Hut genommen hat.«
    Der Polivka stutzt. »Unser … was?«, stößt er heftig hervor.
    »Unser Fräulein, Herr Polivka. Das war sein Künstlername: Gusti, unser Fräulein Watzinger. Sein Markenzeichen waren Perücke, Schminke und Plisseerock, manchmal auch Tutu.«
    »Mein Gott …«
    »Mein Gott!«, ertönt es nun auch von der Tür her. »Sie ist wieder da, Herr Kommissar! Die Alte von gestern!«
    Das Gesicht so farblos wie sein Kittel, hastet
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