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Halo

Halo

Titel: Halo
Autoren: Alexandra Adornetto
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Türen in jedem einzelnen der identischen Flure sein, und ich hatte keine Ahnung, wie ich den Musikflügel finden sollte. Im Stillen rügte ich mich selbst dafür, so abhängig von Gabriel zu sein. Ich musste lernen, hier tagein, tagaus ohne seinen Schutz zu überleben, und ich war fest entschlossen, ihm zu zeigen, dass ich das auch konnte.
    Molly öffnete die Tür zum Klassenzimmer, und wir traten ein. Natürlich waren wir zu spät.
    Mr. Velt war ein kleiner, glatzköpfiger Mann mit einer glänzenden Stirn. Er trug ein Sweatshirt mit geometrischen Mustern, das aussah, als wäre es zu oft gewaschen worden. Als Molly und ich hereinkamen, war er gerade dabei, den Schülern eine Formel zu erklären, die er an die Tafel geschrieben hatte. Die ausdruckslosen Gesichter der Schüler verrieten, dass sie überall lieber wären als ausgerechnet in seinem Unterricht.
    «Wie nett, dass Sie es einrichten konnten, Miss Harrison», sagte er zu Molly, die sich schnell nach hinten verzog. Er schien die Klassenliste schon durchgegangen zu sein, denn er wusste, wer ich war.
    «Gleich am ersten Tag zu spät, Miss Church», sagte er, schnalzte mit der Zunge und zog tadelnd eine Augenbraue hoch. «Nicht gerade ein guter Start. Setzen Sie sich schnell.»
    Plötzlich schien ihm einzufallen, dass er vergessen hatte, mich vorzustellen. Er legte eine Schreibpause ein, gerade lang genug für eine oberflächliche Vorstellung. «Für alle: Das ist Bethany Church. Sie ist neu an der Bryce Hamilton, tut also bitte euer Bestes, sie hier willkommen zu heißen.»
    Nahezu alle Blicke folgten mir, als ich den letzten freien Platz einnahm. Er war ganz hinten neben Molly, und als Mr. Velt zu reden aufhörte und uns anwies, die nächsten Aufgaben zu lösen, konnte ich sie etwas genauer mustern. Ich sah jetzt, dass sie den obersten Knopf ihrer Schuluniform nicht geschlossen hatte und große silberne Ohrringe trug. Sie hatte eine Nagelfeile aus der Tasche gezogen und feilte sich unter dem Tisch die Nägel. Die Anweisungen des Lehrers ignorierte sie ungeniert.
    «Mach dir keinen Kopf wegen Velt», flüsterte sie als sie meinen erstaunten Blick bemerkte. «Er ist total verspannt, verbittert und durch den Wind, seit seine Frau die Scheidung eingereicht hat. Das Einzige, was ihn zurzeit noch antreibt, ist sein neues Cabrio, in dem er aussieht wie ein Loser auf Rädern.» Sie grinste ein offenes Lächeln. Sie hatte weiße Zähne, stark getuschte Wimpern, aber einen natürlichen Teint. «Bethany, das ist ein schöner Name», fuhr sie fort. «Vielleicht ein bisschen altmodisch. Aber ich bin mit ‹Molly› gestraft – klingt wie eine Figur in einem Bilderbuch.»
    Ich lächelte sie unsicher an, ich war mir nicht sicher, wie man jemandem antwortet, der so selbstsicher und direkt war.
    «Ich schätze, wir müssen mit den Namen leben, die unsere Eltern für uns ausgesucht haben», sagte ich. Ein lahmer Versuch, ein Gespräch zu führen, das war mir klar. Andererseits sollte ich eigentlich überhaupt nicht reden, schließlich war ich im Unterricht, und der arme Mr. Velt konnte jede nur erdenkliche Hilfe gebrauchen. Außerdem kam ich mir wie eine Betrügerin vor, schließlich hatten Engel gar keine Eltern. Einen Moment lang dachte ich, dass Molly meine Lüge durchschaute. Aber sie tat es nicht.
    «Also, wo kommst du her?», wollte Molly wissen. Sie blies über die Nägel der einen Hand und schüttelte ein Fläschchen mit einer leuchtenden pinkfarbenen Flüssigkeit.
    «Wir haben im Ausland gelebt», erzählte ich ihr und überlegte, wie sie wohl reagieren würde, wenn sie wüsste, dass ich aus dem Himmlischen Königreich stammte. «Unsere Eltern sind immer noch dort.»
    «Ehrlich?» Molly wirkte beeindruckt. «Wo denn?»
    Ich zögerte. «Das wechselt. Sie ziehen oft um.»
    Molly schien das zu akzeptieren, als wäre es etwas ganz Normales.
    «Was tun sie denn?», fragte sie.
    Ich suchte in meinem Kopf nach einer Antwort. Ich wusste, dass wir das besprochen hatten, aber meine Erinnerung war wie ausgelöscht. Das sah mir ähnlich, gleich in meiner ersten Stunde als Schülerin einen fatalen Fehler zu begehen. Dann aber fiel es mir wieder ein.
    «Sie sind Diplomaten», sagte ich. «Wir sind jetzt mit unserem älteren Bruder hier. Er hat hier ganz neu als Lehrer angefangen. Unsere Eltern wollen so schnell wie möglich nachkommen.» Ich versuchte, ihr so viele Informationen wie möglich aufzutischen, um ihre Neugier zu befriedigen und weitere Fragen zu verhindern. Engel
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