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Halbmast

Halbmast

Titel: Halbmast
Autoren: Sandra Lüpkes
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entschieden haben, die Suche ganz oben an Deck zu beginnen.»
    «Aber wer hat dir das mit dem Fensterputzer gesagt?»
    «Leif Minnesang. Er lässt dich grüßen.»
     
    Sie waren zu viert im kleinen Krankenzimmer. Doktor Perl schlief erschöpft, Pieter saß schweigend daneben und schien tief in seine Gedanken versunken zu sein. Nur Leif und Carolin waren so weit, ein paar Worte zu wechseln. Es war zu viel geschehen. Nur vierundzwanzig Stunden und ein paar Kilometer Fahrt flussabwärts waren sie unterwegs gewesen. Und doch war alles anders.
    Carolin war froh, dass Leif am Leben war. Immer wieder schaute sie zu ihm hinüber. Er sah müde aus, und mehrere Versuche, sich vom Krankenbett aufzurichten, waren fehlgeschlagen. Sie hatte irgendwann nach seiner Hand gegriffen. Mehr aus einem spontanen Gefühl heraus, weil sie ihre Erleichterung sonst nicht zu fassen kriegte. Und obwohl er sich so anstrengte, den alten, unerschütterlichen Leif Minnesang zu markieren, hatte er ihre Finger noch nicht wieder losgelassen.
    «Das wird schon wieder. Mein Körper kennt sich aus mit dem Zeug», sagte er und nahm einen Schluck Wasser aus der Schnabeltasse.
    «Ich habe die Medikamente in deiner Kabine gesehen, als ich auf der Suche nach dir war. Aber ich habe nicht näher nachgeschaut, was das genau für Tabletten waren.»
    «Ach, Convulsofin, im Grunde genommen harmlos. Ich habe jetzt schon so lange mit Epilepsie zu tun und nehme die Pillen, damit ich keine Anfälle kriege. Hat sich alles prima eingespielt. Oder hast du etwas davon mitbekommen?»
    «Nein, ich dachte immer, du wärst von uns allen der Gesündeste.»
    «Bin ich ja auch. Wenn nicht gerade eine ehemalige Schülerliebe von mir beschließt, mich mit Valium ruhig zu stellen.»
    Carolin schaute zu Pieter. Er hatte das Gespräch mit angehört und lächelte schief. «Meine Tante hat immer mehrBeruhigungsmittel in den Champagner gegeben. Sie war ganz verwirrt, weil es scheinbar keine Wirkung zeigte. Sie waren trotzdem noch immer fit und munter. In jeder Beziehung   …»
    Leif verzog das Gesicht. «Ach, das hat sie Ihnen auch erzählt? Man sollte keine alten Liebschaften aufwärmen   … Na ja, aber einen Unterschied zu früher wird sie schon bemerkt haben.»
    Carolin dachte verlegen an die angebrochene Kondompackung, die sie bei der Durchsuchung von Leifs Badezimmer gesehen hatte. Sie wechselte schnell das Thema. «Zum Glück hattest du gestern Abend die Flasche fallen lassen, so habe ich nur einen kleinen Schluck von dem Zeug genommen. Und selbst der hat mir heute Nacht schon einen komaartigen Dämmerzustand verpasst.»
    Leif nahm schon wieder einen großen Schluck Wasser. Er war durstig, dies sei eine der Nebenwirkungen, wenn man regelmäßig Valium zu sich nehme, hatte er erklärt. Und dass er am vorherigen Abend Alkohol getrunken hatte, war nicht eine seiner besten Entscheidungen gewesen. Doch so richtig aus der Bahn geworfen hatte ihn weder der Champagner noch das Valium von Ebba John, sondern die Tablette, die er gewohnheitsmäßig am nächsten Morgen eingenommen hatte. Sie war seine Überdosis gewesen. Auf der Treppe nach oben war er schließlich zusammengebrochen.
    Was dann genau geschehen war, konnte Carolin bislang noch nicht so recht konstruieren. Sie wusste nur, dass Ebba John und eine Truppe um den Sicherheitschef Roger Bernstein sich um Leif gekümmert und ihn auf Deck 5 gebracht hatten. Wo er in dem leer stehenden Weinlager in einem komaähnlichen Zustand vor sich hin gedämmert hatte, bis fast zwölf Stunden später Pieter und Sinclair Bess, ausgestattet mit dem Generalschlüssel, dort angelangt waren. Justin dem Moment, wo Leif das erste Mal wieder in der Lage war, die Augenlider leicht anzuheben.
    «Wie gut, dass du genau rechtzeitig wieder zu dir gekommen bist», sagte Carolin. Ihr war noch immer ganz flau, wenn sie daran dachte, wie knapp die Rettung für sie und die beiden Männer auf dem schmalen Brett gekommen war.
    «Und das Erste, was ich sehe, ist ein magerer weißer Rastamann neben einem dicken Schwarzen in Schlips und Kragen, die sich über mein Gesicht beugen. Da dachte ich für einen Moment: Das war’s, alter Knabe, jetzt bist du wirklich im Jenseits gelandet!»
    Alle lachten. Auch wenn keinem von ihnen wirklich heiter zumute war. Immerhin hatte es hier an Bord einen Toten gegeben. Und Adamek hatte schwer verletzt mit dem Hubschrauber abgeholt werden müssen. Er hatte sich beide Arme gebrochen. Doch ohne Pieters Einsatz wäre sein Sturz mit
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